GUTEN MORGEN

Gemeines Gemecker Wissen Sie noch, wie man sich als Kind fühlt, wenn Erwachsene an einem rumnörgeln? "Mach doch mal den Pony aus dem Gesicht, du siehst ja gar nix!" etwa, oder: "Guck doch nicht immer so motzig!

" Ich fand motzig gucken damals irgendwie cool, die Sprüche waren nervig, verletzt haben sie mich nicht. Bei dem Jungen, der neulich mit seiner Mutter zum Frisör reinkam, als ich an der Kasse stand, ist das wohl anders. "Guckense mal, wie unmöglich dem hier hinten die Haare abstehen", erregte sich die Mutter, während sie ihren Sprößling an den Schultern wie einen Gegenstand von links nach rechts drehte, um ihren vermeintlich missratenen Sohn der Frisörin zu präsentieren. Der etwa 13-Jährige ließ Kopf und Schultern hängen, nur die zentimeterkurzen Haare am bemäkelten Hinterkopfwirbel reckten sich in die Höhe, als steckte in ihnen der letzte Rest Kampfeswille, der dem Jungen geblieben war. Die Mutter ließ nicht nach: "Der macht sich aber auch gar nix daraus, der würde die nicht mal mit Gel anlegen oder so. Da muss man doch was machen!" Die junge Frisörin, an die der Appell gerichtet war, litt sichtlich mit dem beschimpften, armen Tropf. "Soooo schlimm ist das doch gar nicht", versuchte sie, sein letztes bisschen Selbstbewusstsein zu retten. "Doch, doch, unmöglich sieht das aus", legte die herzige Mama nach, "da können Sie doch bestimmt was mit einem Schnitt dran machen. Und dann zeigen Sie ihm noch, wie er sich föhnen muss!" Der Teenager guckte immer noch zu Boden. Kein Ton kam über seine Lippen, ob ihn der Wirbel stört, und er Interesse daran hat, wie der schlimme Makel per Gel und Föhn zu kaschieren ist. Besser, die Mutter würde mal mit dem gleichen Eifer darüber nachdenken, wie ihr Makel behoben werden könnte, denke ich, halte aber den Mund und gehe. Wenn der Junge diese Zeilen liest: Mach dir nix aus dem gemeinen Gemecker, Mütter sind auch nur Menschen! Christiane Wolff

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