Gastbeitrag: Mit Dornenkranz und ohne Inschrift

Immer wieder ist er Thema der politischen Auseinandersetzung in Trier: Der Brunnen zwischen Rathaus und Stadttheater. Geschaffen wurde er zwischen 1965 und 1967 vom Trierer Bildhauer Hans-Karl Schmitt. "Einigkeit und Recht und Freiheit - Breslau Gleiwitz Stettin Königsberg Eger Marienburg." Diese Inschrift mit ehemals deutschen Städten an dem Brunnen findet mittlerweile das Missfallen einiger politischer Gruppierungen in Trier. Sie halten diese Zeilen für revanchistisch, weil sie ein Bild von Deutschland zeichneten, das nach der Ostpolitik der 70er-Jahre und den politischen Umwälzungen der 90er-Jahre nicht mehr zeitgemäß sei. Ein Antrag von Grünen und SPD, den Brunnen umzubenennen, scheiterte 2012 im Stadtrat. Und der Versuch der Linken, die umstrittene Tafel mit den Städtenamen entfernen zu lassen, wurde in dem Gremium erst vergangene Woche abgelehnt (der TV berichtete). Im Volksfreund ergreift heute im folgenden Gastbeitrag Markus Schmitt-Conrad das Wort. Er ist der Sohn des Bildhauers Hans-Karl Schmitt, erläutert Hintergründe des Schaffens seines Vaters und bringt einen neuen Vorschlag zum Umgang mit dem Brunnen ins Spiel.

 Das namenlose, aber umstrittene Kunstwerk: der Brunnen zwischen Rathaus und Stadttheater. Zeitweise wurde er als Theaterbrunnen bezeichnet, aber auch als Vertriebenen-Gedenk-Brunnen oder als Heimatbrunnen, weil der Grundstein für ihn am „Tag der Heimat“ 1965 gelegt wurde. Politisch umstritten ist vor allem die Inschrift mit den Städtenamen (oben). Deshalb wurde nach einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2012 eine erläuternde Tafel neben dem Brunnen angebracht (rechts). TV-Fotos (4): Friedemann Vetter (3), privat

Das namenlose, aber umstrittene Kunstwerk: der Brunnen zwischen Rathaus und Stadttheater. Zeitweise wurde er als Theaterbrunnen bezeichnet, aber auch als Vertriebenen-Gedenk-Brunnen oder als Heimatbrunnen, weil der Grundstein für ihn am „Tag der Heimat“ 1965 gelegt wurde. Politisch umstritten ist vor allem die Inschrift mit den Städtenamen (oben). Deshalb wurde nach einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2012 eine erläuternde Tafel neben dem Brunnen angebracht (rechts). TV-Fotos (4): Friedemann Vetter (3), privat

Foto: Friedemann vetter (Ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Der besagte, mittlerweile offensichtlich in bestimmten Kreisen verfemte Brunnen wurde 1965 von meinem Vater, dem Trie rer Bildhauer Hans-Karl Schmitt (1927 - 1991) entworfen und im Auftrag der Stadt Trier geschaffen. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Lage des Brunnens im Zentrum des Augustinerhofes zwischen den Bäumen und keine Gedenktafel vor. Die Gedenktafel mit der Inschrift wurde einige Zeit nach Errichtung des Brunnens an heutiger Stelle auf Beschluss des Stadtrats angebracht. Wer diesen Beschluss seinerzeit wohl politisch betrieben haben mag? Sicher nicht der Künstler. Er fertigte diese Tafel trotz großer persönlicher Bedenken aus urheberrechtlichen Gründen an, da er es für nicht zulässig erachtete, dass aus anderen als aus seinen Händen - oder Händen seiner Nachfahren - eine Veränderung an dem Werk vorgenommen wird.
Ein weiteres, besonders für die Aussage des Werkes essentielles Element, der im Zentrum befindliche Dornenkranz, fehlte die meiste Zeit seit Bestehen des Brunnens. Auch mehrere Versuche ihn wiederanzubringen, führten zu Diebstählen und Zerstörung. Schließlich wurde er aus Sicherheitsgründen entfernt, um Risiken für im Brunnen kletternde Kinder auszuschließen.
Den Künstler gar verdächtigt


Nur nebenbei bemerkt: Nach dem zweiten Diebstahl wurde im Rahmen der Ermittlungen sogar der Künstler selbst verdächtigt, sich mit dem Verkauf des gestohlenen Edelmetalls ein Zubrot zu verdienen und wieder einen Auftrag und somit Einkünfte zur Neugestaltung des Brunnens zu organisieren.
Zur Aussage des Werkes sei folgendes bemerkt: Mein Vater hat sich in seinem Schaffen sehr lange und intensiv mit dem Kubismus und den Werken von Picasso, Braque, Gris und Zeitgenossen auseinandergesetzt. Von den Bildhauern des 20. Jahrhunderts, die ihn inspirierten, seien nur Henry Moore und Laurens an dieser Stelle erwähnt. Diese Künstler stehen ebenso wenig in Verdacht, in irgendeiner Weise revanchistisch oder faschistisch gedacht oder gehandelt zu haben, wie mein Vater selbst, der Zeit seines Lebens unter den Folgen seiner Erziehung während des Naziregimes, Erlebnissen während des zweiten Weltkriegs und seiner Gefangenschaft, in die er als 18-jähriger für mehrere Jahre geriet, gelitten hat. 1968 erhielt er für sein Werk den Ramboux-Preis der Stadt Trier. Zudem hat er sich in Trierer Bürgerinitiativen engagiert, die heute dem grünen politischen Spektrum zuzuordnen wären.
Menschen, die bereit sind, sich ausreichend zu informieren, in Kunstwerke hineinzudenken und einzufühlen, finden nicht nur die Formensprache der aufgeführten Künstler in der Plastik des Brunnens wieder, sondern können ebenso erkennen, dass erlittenem Leid, und zwar persönlich in den Schreckenszeiten des 20. Jahrhunderts erlittenem Leid, Ausdruck verliehen wird.
Ein Stück Heimat entzogen



Unter den Trierer Brunnen ist dieser Brunnen der einzige, der die sogenannte Klassische Moderne des 20. Jahrhunderts, geschaffen von einem einheimischen Bildhauer, repräsentiert. Als zentrale Plastik des Brunnens symbolisiert ein abstraktes, zerrissenes Herz die Ebene des Individuums mit dem Schmerz über den Verlust der "Heimat" und der persönlichen Lebensgrundlage, als abstrakte Kreisfigur mit dem bereits beschriebenen Dornenkranz das geteilte Deutschland beziehungsweise Europa mit dem Eisernen Vorhang als trotz Trennung zusammengehörendem Gebilde. Mein Vater hat immer ausdrücklichen Wert darauf gelegt, dies auch im Sinne einer Wertegemeinschaft auf Grundlage des Humanismus zu sehen. Diese Zusammengehörigkeit beziehungsweise die einenden Elemente werden durch die in entgegengesetzten Richtungen sprudelnden Fontänen dargestellt, sofern sie denn einmal sprudeln.
Diese Aussagen des Werkes gelten unabhängig jeglicher ideologischer oder historischer Umdeutungen und Vereinnahmungen und besitzen bis in die Gegenwart und zukünftig politische und moralische Aktualität. Dies als Faschismus verherrlichend und revanchistisch anzusehen kann nur mit einem gerüttelt Maß an ideologischer Verblendung, mentaler Unidimensionalität und kultureller Insensibilität erklärt werden.
Da es sich die zuständigen Stellen der Stadt zudem im Jahre 2011 erlaubt haben, das Grab meines Vaters ohne Rücksprache und Information seiner Familie abzuräumen, wurde der Familie der private Platz des Gedenkens und somit auch ein Stück "Heimat" entzogen. Auf Nachfrage berief man sich auf die aushängende, geänderte Friedhofsverordnung. Der künstlerisch gestaltete Grabstein ist seither unauffindbar. Daher ist es meine persönliche und menschliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass mein Vater an anderer Stelle nicht Spielball politischer Kräfte oder Deutungshoheitsbeflissener wird und sein Werk angemessen respektiert wird.
Wegen der geschilderten, klaren Aussage des Werkes, ist aus meiner Sicht als logische Forderung abzuleiten, das Kunstwerk und den Brunnen in seiner ursprünglichen gedachten Form ohne Gedenktafel und mit Dornenkranz soweit herzustellen, dass an seiner Aussage im oben geschilderten Sinne für den Kunst- und Geschichtsverstehenden kein Zweifel bleibt. Das Anbringen einer erläuternden Tafel, wie derzeit vorhanden, selbstverständlich freibleibend.
Eine Bitte an den Stadtrat



Ich möchte hiermit den Rat der Stadt Trier bitten, dieses Anliegen als Antrag zu beraten, und wünsche mir nicht nur im Namen der Angehörigen und der Familie, sondern auch zahlreicher Menschen, die diese Forderung unterstützen, dass dieses Anliegen auf das entsprechende menschliche, kulturelle und kunsthistorische Verständnis trifft und zu einem sachdienlichen Beschluss im dargestellten Sinne führt.
Markus Schmitt-Conrad
Extra

Gastbeitrag: Mit Dornenkranz und ohne Inschrift
Foto: (h_st )
Gastbeitrag: Mit Dornenkranz und ohne Inschrift
Foto: (h_st )

Dr. Markus Schmitt-Conrad, Jahrgang 1958, ist der Sohn des Trierer Bildhauers Hans-Karl Schmitt. Er ist aufgewachsen in Trier, lebt aber seit 1997 mit seiner Familie in Rheinbach. Schmitt-Conrad ist Oberarzt der Klinik für Urologie des Malteser Krankenhauses Seliger Gerhard in Bonn und Koordinator des Prostatakrebszentrums Bonn/Rhein-Sieg. red

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