Glaubwürdigkeit verspielt

Zum Artikel "Kampf gegen Schleuser und Illegale" (TV vom 23. November):

Auf der einen Seite werden mit gigantischem Medienaufwand und unter Verwendung völlig unhaltbarer, aus der Luft gegriffener Zahlenwerke die Ausmaße der Schwarzarbeit weiterverbreitet. Im Jahre 2002 waren es 350 Milliarden (Spiegel Heft 49), ein halbes Jahr später berichtete das ZDF gar von einem Ausmaß von 370 Milliarden Euro. Das geht soweit, dass sogar die bislang weitgefasste legale Nachbarschaftshilfe zur Wirtschaftskriminalität hochstilisiert wird. Dass durch Schwarzarbeit mit Einkauf von Gütern Steuern bezahlt werden und Bürger in Arbeit kommen, hat noch keiner berechnet. Alles mit der Begründung, dass der Staat auf die Steuern und Sozialausgaben so dringend angewiesen sei, dass er nun mit aller Härte dreinschlagen muss. Jetzt werden sogar durch Eichel 7000 Zollbeamte beauftragt, aus den angeblichen 370 Milliarden Schwarzarbeitsumsätzen eine ganze Milliarde an Steuern und Abgaben für den Staat zu retten. Was die Kosten der Bürokratie für die Zollbeamten betragen, will ich erst gar nicht ausrechnen. Ein Staat, der seinen Bürgern sogar die Nachbarschaftshilfe zur kriminellen Handlung umdeutet, weil er sich angeblich um Steuern und Sozialabgaben betrogen fühlt, der aber gleichzeitig von seinen Bürgern verlangt, sie müssten in weit über den realen Umfang der Schwarzarbeit hinausgehendem Maße unentgeltlich arbeiten, der hätte, wäre der Zusammenhang so einfach zu erkennen, seine Glaubwürdigkeit vollkommen verspielt, denn er verzichtet mit der Forderung nach unentgeltlicher Mehrarbeit freiwillig auf ein Vielfaches dessen, was Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Schwarzarbeit jemals verloren ging. Aber etwas ist doch bei dieser Sache herausgekommen, denn das Bundesministerium der Finanzen sucht für die neu eingerichtete Abteilung "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" bei der Oberfinanzdirektion Köln zum nächstmöglichen Termin einen Leiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Arbeitsloser weniger. Wolfgang Schmitt, Trier

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