Guten Morgen

Erzähl doch mal. Was machst du da noch mal genau in der Redaktion?" Mein Opa will es immer ganz haarklein wissen. Egal ob es um Stadtratssitzungen, Konzerte oder Sportveranstaltungen geht - der 86-Jährige interessiert sich für alles, was seine jüngste Enkelin von ihrer Arbeit bei der Zeitung erzählt. "Das ist ja ganz schön spannend, was du da machst", kommentiert er immer beeindruckt. Und dabei hat er noch nicht mal einen Bezug zu der Region. Mein Opa ist Saarländer, genau wie ich. Auch wenn ich seit mittlerweile zwölf Jahren in Trier lebe. Aber bei Opa Willi, da werde ich wieder Saarländerin - zumindest was die Sprache angeht.Kürzlich waren wir beide zusammen spazieren und haben uns unterhalten. Eine Geschichte erzählt er für sein Leben gern. Und ich will sie auch immer wieder hören. Die, wie er an Weihnachten 1948 beim Handballer-Ball seine große Liebe kennengelernt hat - meine Oma: "Sie kam rein, und da war es um mich geschehen." Das Mädchen, mit dem er vorher getanzt hatte, war abgemeldet - und stinksauer. "Ich bin der Oma von da an nicht mehr von der Seite gewichen." Wenn mein Opa davon erzählt und in die Vergangenheit abtaucht, dann strahlen seine Augen. Allerdings gepaart mit einer großen Traurigkeit. Vor einem halben Jahr ist seine Frau gestorben, und damit auch ein Teil von ihm.

Aber mein Opa Willi wäre nicht mein Opa Willi, wenn er sich jetzt völlig aufgeben würde. Er kocht weiter Marmelade ein ("Schätzchen, nimm dir Gläser mit. Ich hab noch 40 Stück davon im Keller"), backt Kuchen ("Welchen Kuchen wünschst du dir denn? Apfelsinenkuchen oder Bienenstich?") und kraxelt zu meiner großen Besorgnis in die Bäume. Und der samstägliche Anruf "beim Enkelchen" darf selbstverständlich nie fehlen. Natürlich immer mit dem gleichen entsetzten Ausruf: "Waaas?! Es ist 9 Uhr, und du liegst noch im Bett?"

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