Guten_Morgen_2806_lars

Ich bin ein Angsthase. Wenn ich das sage, winken die meisten ab und antworten mit: "Ja, ja, red' du nur." Aber es stimmt, und diese Feigheit hat sich in meinem Urlaub bitter gerächt: Seit Monaten spürte ich schon, dass in meinem Mund etwas nicht stimmt, immer wieder pochte es hier und zog es dort, aber eben so, dass eine Tablette kurzfristig Abhilfe schuf und es am nächsten Tag wieder ging - so halbwegs wenigstens und stets so, dass sich der Angsthase in mir durchsetzen, eine Terminvereinbarung beim Zahnarzt vermeiden und sich selbst vorgaukeln konnte, das würde schon wieder werden.

Es ist wirklich überraschend, wie viele Ausreden diesem scheuen Tier in mir einfallen. Wie nicht anders zu erwarten, wurde es natürlich nicht wieder, sondern einfach nur immer schlimmer, und dies ausgerechnet im Urlaub. Grundsätzlich wäre daran wenig auszusetzen, denn im Urlaub kann man sich wenigstens nicht mit dringenden anderen Terminen herausreden. Mit Herausreden war aber ohnehin nichts mehr, denn es gibt Schmerzpunkte, die stärker sind als die Angst, weil sie stärker sind als alle Schmerztabletten. Das macht die Nächte kurz und verscheucht den größten Angsthasen - normalerweise! Wenn man sich jedoch im schönen, aber nicht in allem mitteleuropäischen Standards entsprechenden tiefen italienischen Süden befindet, bäumt sich der Hase beim Gedanken daran, was "la dentista" so mit einem anstellen könnte, noch einmal auf, schreit nach Ibuprofen und argumentiert, dass es ja nur noch drei Tage seien bis zur Rückkehr nach Deutschland. Kurz und gut: Es war sein letzter Sieg. Am Tag nach der Rückkehr saß ich auf dem Stuhl, vor dem so vielen graut. Seltsamerweise schweigt der Hase seither, da ihm der schwindende Schmerz alle Argumente genommen hat. Und allen Neunmalklugen, die anmerken wollen, ich sei selber schuld, kann ich nur sagen: "Ich weiß!"

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