Historisches Erbe stark gefährdet

Zum Abriss zweier Häuser in der Paulinstraße in Trier-Nord:

Als ich letzte Woche die Paulinstraße entlang in Richtung Porta Nigra ging, musste ich mit Erstaunen und zugleich mit Wehmut sehen, dass die Häuser auf den Anwesen Paulinstraße Nr. 22 und 24 nun wohl doch der Spitzhacke oder besser gesagt dem Bagger zum Opfer fallen werden. Konnte man doch zunächst glauben, dass diese Relikte der Gründerzeit für die Nachwelt erhalten werden. Sicherlich ließe sich hierüber noch vieles sagen, zumal man doch glaubte, dass ein solches rabiates Vorgehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Bausünden früherer Jahre, nun endlich der Vergangenheit angehören sollte. Aus archäologischer Sicht möchte ich hier jedoch auf die möglicherweise an dieser Stelle drohende Zerstörung eines Teils des Nördlichen Gräberfeldes, das sich westlich und östlich des Verlaufs der ehemaligen nördlichen Ausfallstraße, deren Trasse in etwa dem Verlauf der Paulinstraße folgt, erstreckt, hinweisen. Diese Nekropole zählt zu den größten Gräberfeldern der Stadt. Eine systematische Erforschung erfolgte, mal abgesehen von den Grabungen des 19. Jahrhunderts unter der Leitung von Felix Hettner, bis heute nicht. Dies ist auf die schnell erfolgte Bebauung des Areals zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Und so sind es zumeist Einzelbeobachtungen im Zuge von Baumaßnahmen, die auf die Bedeutung dieses Bodendenkmals hinweisen. Da es im Zuge der angesprochenen Baumaßnahmen durch den Einsatz von Großgerät zu erheblichen Bodenbewegungen kommen wird, ist dieses Bodendenkmal in höchstem Maße gefährdet. Gerade die sich in den Gräbern befindlichen Befunde spiegeln für den Archäologen die Lebensumstände und -gewohnheiten, den sozialen Status sowie Alter und Geschlecht der oder des Bestatteten wider. Bei einer Belegung, die sich von der augusteischen Epoche bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert erstreckte, könnte die Untersuchung der Gräber helfen, wichtige Lücken in der bisherigen Stadtgeschichte zu schließen. Dazu ist es jedoch unabdingbar, dass der gesamte Fundzusammenhang, der wissenschaftliche Kontext, einer systematischen Untersuchung zugänglich gemacht wird. Eine für den Laien unscheinbare Bodenverfärbung eröffnet dem Fachkundigen möglicherweise wichtige Aufschlüsse. Notgrabungen im Zuge von sich rasch vollziehenden Baumaßnahmen können diesem Anliegen nur unzureichend und allenfalls partiell gerecht werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Bauherr sich der Bedeutung des historischen Erbes bewusst ist, das ihm hier anvertraut wurde. Claudia Kurz, Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort