Im Beichtstuhl

Schon gebeichtet? Nein? Dann wird's aber höchste Eisenbahn. Denn der Advent ist nicht nur die Zeit der Vorfreude, sondern, zumindest ganz katholisch gesehen, vor allem eine Zeit der Vorbereitung auf die Freude.

Und um sich so richtig freuen zu können, hilft's ungemein, vorher sein Gewissen von allem Belastenden zu befreien. Die Kirche ruft deswegen ihre Mitglieder im Advent zur Beichte und Buße auf.

Mein ganz persönlicher "Beichtstuhl" stand dagegen in diesem Jahr im Wohnzimmer meines großen Bruders. Der hat sich nämlich einen neuen Schallplattenspieler gekauft. Wieder hervorgekramt wurde seine alte Platten-Sammlung von damals.

Die ist zwar umfänglich, hat aber auch zumindest eine schmerzhafte Lücke - für die ich verantwortlich bin. Bis zum Wochenende wusste mein Bruder davon allerdings nichts. Schlimmer noch, er hatte sogar meine große Schwester in Verdacht, sein "T-Rex"-Album gemopst zu haben.

Dabei hatte ich die Scheibe als Jugendliche Ende der 80er aus dem LP-Fach seiner Stereoanlage stibitzt und an eine Freundin ausgeliehen - höchst stolz darauf, einen Bruder zu haben, der so coole Musik hörte zu einer Zeit, als aus allen Boxen Modern Talking und Münchener Freiheit dröhnte.

Zurückbekommen habe ich - und hat damit mein Bruder - die Schallplatte allerdings nie.

Das Geständnis kam nach 20 Jahren leichter über meine Lippen als gedacht. Und entweder hatte sich mein Bruder sehr gut im Griff, oder er hat den Verlust mittlerweile doch verschmerzt. Streit gab's jedenfalls nicht.

Jetzt freu' ich mich auf Weihnachten - mit einem zumindest etwas besseren Gewissen als vorher.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort