König Kattila und ich

Meine Erinnerungen an die Grundschulzeit sind - vorsichtig formuliert - sehr überschaubar. Eine Szene sehe ich aber plastisch vor mir. Die Lehrerin stellt die Königsfrage. Wie hieß der berüchtigte Herrscher der Hunnen?

Leere Blicke in der 2a. Nur ich setze ein wissendes Lächeln auf. Das hatte ich gerade erst gelesen, im Fachbuch, bei der Weiterbildung in der Freizeit. "Kattila!", juchzte ich. Es war fast richtig.

Dabei war meine Quelle in Historiker-Kreisen nicht unumstritten, wie ich mit Zähneknirschen eingestehen musste. So kennt man Kattila heute eher als Attila. Und er war wohl auch kein direkter Vorfahr von Kater Karlo, wie mir Walt Disneys Schergen in ihrem "Lustigen Taschenbuch" weismachen wollten. Ins Heute übersetzt: Das war wie Dan Brown, nur mit mehr Bildern. Unterhaltsam, aber nur bedingt zum Angeben geeignet.

Überhaupt: So manches, was man einst gerne glaubte, hat sich als falsch herausgestellt oder als halbwahr. Die Muschel am Ohr hat kein Meeresrauschen zu bieten. Das ist "nur" das Rauschen des Bluts.

Bitter für die Kleinsten: Ein Sonnenuntergang ist kein sicheres Indiz dafür, dass die Engelchen gerade Kuchen backen. Und Spinat ist zwar gesund. Aber dass er viel Eisen enthält, ist eine Legende, die sich vielleicht auch dank Popeye hartnäckig hält.

Die Menschen nutzen sogar alle Bereiche ihres Gehirns. Längst nicht nur zehn Prozent, wie gerne mal berichtet. Generös die Gehirnzellen ins Jenseits zu feuern - nur die unnötigen, klar! - geht also auch nicht mehr ohne Selbstbetrug.

Die Naivität ging mit den Jahren verloren, blätterte ab wie der Lack eines Ford Taunus aus den tiefen 70ern. Aber solange mir Nikolaus noch den Stiefel füllt, solange sich kein Storch vor die Tür verirrt - so lange will ich immer Kind bleiben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort