Lob mal wieder!

Vor einigen Tagen bin ich kaum im Büro angekommen, klingelt schon das Telefon. "Ob sich wohl jemand beschweren will?", frage ich innerlich. Aber dann die Überraschung: "Ich bin eine treue Leserin und wollte nur mal sagen, dass mir Ihre Arbeit und die Ihrer Kollegen sehr gut gefällt." Bevor ich mich bedanken kann, legt die mutmaßlich ältere Frau auf.

Schade, hätte gerne mit ihr länger gesprochen und vielleicht noch ein bisschen mehr Lob eingeheimst, denn die kleine Portion ging mir einfach runter wie Öl. Lob kommt in unserem Beruf nämlich nicht so oft vor. Je mehr ich mir Gedanken über das unverhoffte Lob mache, umso mehr stelle ich mir die Frage: Wie hältst du es eigentlich? Wann hast du denn das letzte Mal einen Kollegen gelobt? Und wann das letzte Mal deine Kinder? Deine Frau? Wenn ich ehrlich bin: Ich weiß es nicht genau. Doch, ich erinnere mich, ich habe meinen Sohn für sein Zeugnis gelobt. Wie lange ist das schon wieder her? Seitdem nicht mehr? Ziemlich ernüchternd, meine kümmerliche Bilanz. Warum ist es eigentlich so schwer (geworden?) zu loben? Geht alles im Alltags-Stress unter? Eine richtige Erklärung habe ich nicht. Dabei könnte es doch so einfach sein (glaube ich jedenfalls): Es muss ja nicht immer gleich in Lobhudelei ausarten, ein kurzes "Gut gemacht" tut es ja auch schon mal. Nun habe ich mich aber ganz schön unter Druck gesetzt: Ab jetzt werde ich bestimmt daran gemessen, ob meinen Worten auch Taten folgen. Deshalb gilt ab sofort für mich (und hoffentlich auch für Sie): Lob mal wieder! Stephan Sartoris In der Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort