Mahnmal für kollektives Versagen

Zur Diskussion um die Namensänderung des Hindenburg-Gymnasiums Trier (HGT):

Wie für die meisten ehemaligen Schüler verbindet sich meine Erinnerung an die Schulzeit mit den Mitschülern, den Lehrern, den Anekdoten, dem Gebäude. Mir war der Name immer unwichtig. Die naive Sicht auf Geschichte, dass "große Männer Geschichte machen", wurde nach den "68ern" eigentlich deutlich entchauvinisiert. Leider sieht man da in der Diskussion wenig Zugewinn an Erkenntnis. Da war nun mit Hindenburg einer zu Ehren gekommen, der ohne die Zeit als Reichspräsident sicherlich als relativ normaler "Held" des wilhelminisch-militaristischen Zeitalters gegolten hätte. Nun gab es aber die Zeit und Hindenburg hat weder aus persönlichen Schwächen, noch aus taktischen Überlegungen Hitler zum Kanzler gemacht - so als ob nur er selbst dafür Verantwortung trüge. Nein, genau das soll doch die wahre Verantwortung verschleiern. Es waren die großen Industriellen, das Kapital, das in der Systemwahl mit der (sozialen) Demokratie sich für den Faschismus entschied, Hitler finanzierte, hoffähig und stark machte, auch um die Arbeiterschaft zu spalten. Hindenburg ist das Symbol des kollektiven gesellschaftlichen Versagens über alle Klassen hinweg. Die 68er haben sich mit den "Nazis" auseinandergesetzt, die es ohne Zweifel noch zuhauf in Verantwortung gegeben hat, niemand mit der vielleicht treffenderen politischen (nicht menschlichen!) Bezeichnung ihrer Väter: der Generation der Versager. Hindenburg ist das Mahnmal, das Symbol des kollektiven Versagens unserer Gesellschaft, der fehlenden Zivilisierung in der Ausweitung der Möglichkeiten des Menschen durch den Kapitalismus. Diesen pädagogischen Effekt halte ich für sehr bedeutsam in einer Gesellschaft. Das einzige Argument gegen den Namen Hindenburg ist, ob ausgerechnet einer Schule, die auch eine Integrations- und Brückenfunktion ins benachbarte Ausland wahrnimmt, zum Teil zweisprachig unterrichtet und das französische "Abitur" anbietet, diese Funktion aufgebürdet werden soll. Ich denke, dass dies unglücklich ist. Das Versagen in seinen Mechanismen aufzuarbeiten und daran zu erinnern, bleibt unsere eigene Aufgabe. Die Institution Schule, in dem Fall das HGT, wird sich, mit welchem Namen auch immer, aber nicht verändern. Mit Symbolen weckt man Emotionen. Wenn es den Fokus stärker auf den wirklichen Veränderungsbedarf der Schulen lenkt, ich meine die Struktur, die Demokratisierung, die Lernmethoden und die Ausstattung, hat es wenigstens einen positiven Aspekt gehabt.Christian Z. Schmitz, Trier schulen

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