STADTGESPRÄCH

Auch in Trier ist es offenbar nicht mehr viel wert, ein Nationalheld zu sein. Was haben sie den Linzepaul vor einem Jahr noch gefeiert. Der Retter der Eintracht, der Aufstiegsgarant, der Motivator, der Kumpeltyp, der für bescheidenes Honorar seinen Heimatverein in die 2. Liga wuchtete und drin hielt - die ersten wollten schon die Paulinskirche in Paul-Linz-Kirche umbenennen.

Wer es wagte, die bisweilen etwas rustikalen Umgangsformen des Trainer-Denkmals auch nur zu erwähnen, wurde von den Fans sofort eines Besseren belehrt: Der Paul sei halt ein Trierer Original, und sein raubautziger Charme - auch im Umgang mit dem Publikum - geradezu ein persönliches Qualitätsmerkmal. Und jetzt? Irgendwie muss eines Nachts eine dunkle Fußball-Macht über der Siedlung im Stadtteil Quint niedergegangen sein und den braven Mann einfach ausgetauscht haben. Der neue Paul Linz sah zwar genau aus wie der alte, war aber ein völlig anderer Mensch. "Ungehobelt" fand man ihn plötzlich auf der Tribüne, mit der Mannschaft sei er "noch nie so richtig zurechtgekommen", murmelten die langjährigen Stehplatz-Experten, er verdiene "astronomische Summen", raunte es via Internet. "Linzepaul, halt dein Maul", intonierte der besoffene Pöbel im Zug zwischen Saarbrücken und Trier. Da war von der Episode mit der nächtlichen Rangelei, die den späteren Rücktritts-Anlass lieferte, noch nichts zu ahnen. Aber die, die am lautesten Hosianna gerufen hatten, waren nun diejenigen, die am nachdrücklichsten "Kreuziget ihn" brüllten. Gut, so ist halt das Geschäft. Und Paul Linz, der Profi, wird wissen, dass man der Fußballgott ist, so lange man Erfolg hat, und der Fußabtreter, wenn man verliert. Aber vielleicht hat er - wie mancher andere - irgendwo im Hinterkopf gehofft, in Trier wäre es ein bisschen anders. Ein bisschen wie in Freiburg vielleicht, wo Volker Finke drei Mal unbeschadet absteigen durfte. Ein bisschen menschlicher halt, und familiärer als in den Metropolen. Mit der Chance, sich auch mal eine Dummheit zu leisten, wenn man vorher viel Gutes geleistet hat. Offenbar ein naiver Gedanke. Der Kaiser ist tot, es lebe der Kaiser, so lautete das Gesetz schon bei den Römern. Den Michael Prus werden sie auf Händen unter der Porta hindurch tragen, wenn er den Wiederaufstieg packt. Und falls er wieder absteigt, wird er immerhin nicht im Amphitheater den Löwen vorgeworfen. Gewisse Fortschritte sind also auch in Trier nicht zu übersehen. Dieter Lintz

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