STADTGESPRÄCH

Mit dem Jahresende kommt der kommunale Kummer immer näher. Es ist Zeit für die Haushaltsdebatten. Die Situation, in der sich Orts-, Verbands- und auch Oberbürgermeister befinden, ist aus Otto Normalverbrauchers Sicht kaum nachzuvollziehen.

Die Lage der Räte ist nicht angenehmer. Die Verwaltungen müssen einen Haushalt vorlegen. Dieser Haushalt ist ein dickes Werk mit eng bedruckten Seiten. Er basiert noch auf dem Prinzip der Kameralistik. Die Frage, was das ist, stellt sich der Normalverbraucher schon gar nicht mehr. Er hat längst begriffen, dass der dicke Haushalt sich mit großem Erfolg jedem Verständnis entzieht. Der Kämmerer ist oft der einzige, der richtig durchblickt. Er darf deshalb seinem Bürgermeister die Haushaltsrede schreiben. Wenn Otto Normalverbraucher - mal vorausgesetzt, er konnte sich zum Besuch der Ratssitzung durchringen - diese Rede hört, dann denkt er sich, so schwer ist das ja alles doch nicht. Wir sind völlig pleite. Mit jedem Jahr werden wir noch mehr pleite. Der Ofen ist aus, die Kasse leer, die Zukunft düster. Doch statt einer Insolvenz erlebt Otto eine Haushaltsdebatte. Die Fraktionen in den Räten wissen natürlich, dass die Verwaltungen nicht die Hauptschuld an dem Finanzdrama tragen. Das macht das härteste Stück Arbeit im politischen Jahr nicht einfacher. Hier noch ein paar Euro sparen, dort eine Position streichen, sich bemerkbar machen, mitwirken - die Volksvertreter tun ihre Pflicht und fühlen sich dabei wie jemand, der vom Drei-Meter-Brett in ein leeres Becken springt. Es ist in dieser Situation ungeheuer schwer, ehrenamtliches politisches Engagement zu zeigen. Viele tun es dennoch. Otto geht nach Hause und denkt sich: Würde ich mir das antun? Und er ist dankbar - für einen kurzen Moment.Jörg Pistorius

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