Stoppschild im Alltag

Eigentlich sollte ich in diesen Wochen besinnlich sein, aber ich habe überhaupt keine Lust dazu, zu viel Arbeit und trotzdem Sorge um meinen Arbeitsplatz - da vergeht einem die Besinnlichkeit." - "Mir geht das Advents- und Weihnachtsgetue von Jahr zu Jahr mehr auf die Nerven.

Die Geschäftemacherei und das Gerenne auf der Suche nach Geschenken."

Solche und ähnliche Äußerungen weisen auf die schwierige Seite der Adventszeit hin ebenso wie die Ausdehnung der Vorweihnachtszeit bis in den Spätsommer mit Lebkuchen im September.

Aber da ist auch die andere Seite: Vorweihnachtliche Stimmung in der Stadt, festliche Beleuchtung, geschmückte Häuser und Wohnungen, adventliche Konzerte.

Ich halte viel von realistisch kritischer Haltung gegenüber der geschönten Glitzerwelt, gegenüber Kommerz und Abzocke, die sich im Advent häufen. Gerade dieses Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise, in dem so viele Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen, scheint doch denkbar ungeeignet für den Traum von einer besseren Welt.

Das Beispiel Dubai zeigt ja anschaulich, wohin es führt, wenn Menschen in immer neuen Träumen vom "Schöner, Größer, Besser, Reicher" die Bodenhaftung aus dem Blick verlieren.

Wenn die Texte der Adventslieder von der Hoffnung auf eine bessere Welt sprechen, so setzen sie ein Stoppschild in den Alltag. Sie drücken aus, dass der gewohnte Trott des oft genug grauen Alltags nicht alles ist.

Genau das ist der Charme der Adventszeit, und es trifft ein Grundbedürfnis der Menschen. Es tut gut, den Alltag einmal hinter sich zu lassen und einzutauchen in die festliche Stimmung eines Konzerts oder der schön beleuchteten Stadt.

Dabei bleibt die Realität, wie sie ist, aber ein wenig innerer Abstand ermöglicht eine neue Sicht.

Ingrid Müller ist Pastoralreferentin in Trier

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