Vorurteilen Vorschub geleistet

Gesetzt den Fall, es spielt sich folgende Szene auf dem Hauptmarkt in Trier ab: Ein mehr oder weniger stark alkoholisierter Mann oder mehrere Menschen, berauscht aus Freude über den Sieg der deutschen Mannschaft bei der vergangenen Fußball-EM, "grölen nicht zusammenhängende Sätze", "gestikulieren wild mit den Armen" und "gehen in bedrohlicher Weise auf Erwachsene und Kinder zu", "entkleiden sich", "schwenken Fahnen", "spritzen mit Wasser aus Flaschen um sich".

Ein solches Verhalten würde man entweder ignorieren, oder man würde einen weiten Bogen um diese Menschen machen nach dem Motto: "Leben und leben lassen". Solches erlebt man oft im Rahmen von Veranstaltungen in der Öffentlichkeit.

Würde man dann auch sofort das städtische Ordnungsamt, die Polizei oder die so genannte Hilfspolizei rufen? Hier, wie im Zeitungsbericht geschildert, wird ein Mensch, der aufgrund seiner psychischen Erkrankung ein ähnliches Verhalten zeigt wie oben beschrieben, wie ein Verbrecher festgenommen, gefesselt und abgeführt.

In der Manier eines Skandalblattes wird über einen kranken Menschen berichtet, wird ein Kranker öffentlich vorgeführt und später im TV ausführlich mit vier (!) Fotos über seine Festnahme berichtet. Dies geschieht nicht, um zu sagen, welches Leid diese Krankheit für Betroffene einer psychischen Krankheit und deren Angehörige mit sich bringt und auch nicht, um Verständnis in der Öffentlichkeit für die Betroffenen zu werben. Nein, man benutzt das Leid und die Krankheit, um zu zeigen, welche Aufgaben ein Hilfspolizist in Bezug auf psychisch Kranke zu erledigen hat. Außerdem leistet man mit diesem Artikel ganz massiv allen nur erdenklichen Vorurteilen gegenüber diesen Kranken Vorschub. Man erweckt außerdem den Eindruck, dass psychisch Kranke eine Gefahr darstellen und schnellstens hinter Schloss und Riegel, sprich: in die Psychiatrie, gehören.

Rosemarie Wirschem, Trier

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