Wahl-Einsichten

Zwei Wochen nach der Bundestagswahl haben wir sie in der Stadt an manchen Stellen immer noch vor Augen: die Wahlplakate der verschiedenen Parteien. Und die, die an Lampenpfosten hängen oder angelehnt stehen, schauen uns beinahe mitleiderregend an.

Das Wetter oder manche starke Hand hat Spuren hinterlassen. Dick gedruckte Wahlversprechen baumeln fast hilflos im Wind. Wenn ich irgendwo mit dem Auto an einer Ampel stehe, deren Umfeld ja gerne und reichhaltig plakatiert wurde, dann kommen diese Gedanken:

Sind Versprechen und Zusagen so einfach vergänglich? Was ist jetzt davon geblieben? Kann es wirklich sein, dass, was heute überzeugend und im Hochglanzdruck präsentiert wird, morgen schon Makulatur ist?

Und das betrifft ja längst nicht nur die Politik. Wie sieht das bei mir selber aus? Wie halten wir es in der Familie, im Freundeskreis, im Verein? Eine Meinung ist schnell gemacht, und je nach Anlass lautstark vertreten. Missstände sind schnell ausgemacht und angeprangert. Zusagen und Versprechen kommen uns manchmal viel zu schnell über die Lippen - und wir haben sie schon vergessen, während ein anderer Mensch auf die Einlösung wartet. "Euer Ja sei ein Ja, und euer Nein sei ein Nein!" Das ist der Maßstab, der von Gott an uns Christen angelegt wird. Manchmal gar kein Problem, aber gelegentlich auch echt schwierig. Durchmogeln gilt nicht. Ich muss also überlegen, was ich sage, zusage und verspreche. Im Alltag und darüber hinaus. Das heißt nicht, dass ich nicht auch mal falsch liegen kann und eine Entscheidung oder eine Zusage korrigieren muss. Das geht auch - vor Gott sogar ohne Gesichtsverlust.

So ist dieser Tage jede "Begegnung" mit einem Wahlplakat an der nächsten Ampel eine kleine Erinnerung, mal die eigenen Versprechen und Zusagen unter die Lupe zu nehmen.

Stefan Dumont

ist Pfarrer in Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort