Weibliche Wunder

Es gibt sie, diese Dinge, die immer wieder in Staunen versetzen: Wunder des Alltags und sie sind, so weit es mich betrifft, zu 99 Prozent weiblichen Ursprungs. Ich meine nicht jene, die an Frühlingstagen durch Innenstädte flanieren und einem beim zweiten Blick nur das eigene - in solchen Momenten erschreckend hohe - Alter vor Augen führen.

Viel wunderlicher ist beispielweise ein Phänomen, das mit Vorliebe in den Morgenstunden des Montags auftritt. Und das geht so: Ich darf etwas länger schlafen als meine Freundin. Montags jedoch werden aus 30 Minuten oft zehn. Denn es ist wieder passiert. Ich erinnere mich zwar - sogar im Halbschlaf - daran, dass wir am Samstag in zehn Läden waren, sie etwa zwanzig Kleider anprobiert und auch nicht alle wieder zurück ins Regal gelegt hat. Ich erinnere mich sogar an die Farbe und das Gewicht der Tüten. Sie wurden ausgepackt und der Inhalt ganz sicher im Kleiderschrank verstaut. Und doch: In der Nacht zum Montag ist wieder das Wundersame geschehen. Der Kleiderschrank ist leer, alles ist verschwunden. Die neuen Sachen, die im letzten Monat gekauften und die aus dem vergangenen Jahr, alles weg. Denn meine Freundin behauptet steif und fest und je länger desto lauter, sie habe nichts, aber auch gar nichts zum Anziehen. An guten Montagen versuche ich, Vorschläge zu machen, was doch schön aussehen könnte. Sie verpuffen ungehört. Wie könnte es auch anders sein: Der Schrank ist ja leer! An den anderen vertraue ich auf ein zweites weibliches Wunder, nämlich dass meine Freundin, kurz bevor sie aufbrechen muss, aus dem leeren Kleiderschrank doch ein Kleidungsstück hervorzaubert, in dem sie ganz oft ganz bezaubernd aussieht.In der Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

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