Weihnachten
In seinem Roman "Der Tod und ich, wir zwei" beschreibt Arnold Stadler, wie in einem eleganten Altersheim Weihnachten gefeiert werden soll. Da das Haus "weltanschaulich neutral" ist, also keine Kapelle hat (dafür aber eine Filiale einer großen deutschen Bank), kann man sich nicht auf ein gemeinsames Weihnachtslied verständigen.Nicht einmal "Leise rieselt der Schnee" ist möglich, da in der dritten Strophe das "Christkind" auftaucht.
Schließlich einigt man sich auf "Oh Tannenbaum." Das ist weltanschaulich neutral und allgemein bekannt, also können es alle mitsingen. Punkt. "Oh Tannenbaum" singen auch Christen, zuhause, aber nicht in den großen Gottesdiensten dieser Tage. Wir feiern Größeres. Nichts gegen diese alten Lieder, gar nichts. Weihnachten ist ein Fest der Stimmungen, des Gefühls, der Romantik. Auch bei den Menschen, die das Wort "Liebe" oder "Gefühl" ungern oder überhaupt nicht in den Mund nehmen. Und wenn Härten aufgebrochen werden - und sei es nur für Stunden oder Tage - gut so!
Aber das ist nicht das Ziel. Das sind Etappen auf dem Weg nach Bethlehem, Voraussetzungen das zu hören, was uns in dieser Nacht verkündet wird und was eben nicht allein mit dem Kopf, mit einem "Ja" der nüchternen Zustimmung begriffen werden kann: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren. Er ist der Messias, der Herr." Das ist die Botschaft der Heiligen Nacht. Gott sucht den Menschen und wird selbst Mensch unter Menschen. Gott kommt an, auf seine Weise. Rettet von unten. Bis heute. Weihnachten feiern wir unsere Erlösung, feiern unsern Herrn und Bruder Jesus Christus, den im wahrsten Sinn des Wortes "heruntergekommenen" Gott (Wilhelm Bruners). Und besingen dies am liebsten "in dulci jubilo".
Stephan Wahl ist Direktor "Kommunikation und Medien" im Bistum Trier