"Wie losgelöst"

Ich blättere ziellos in einer Frauenzeitschrift. Das Interview mit der Pianistin Helene Grimaud fixiert mein Interesse. Eine Frau, die sich entspannt, indem sie Wölfe züchtet! Sie erzählt: "Man muss in seiner Interpretation Musik abheben lassen, mit ihr diese Erde verlassen." "Wie fühlt sich das an?

" "Wie losgelöst von allem! Ich vergleiche das oft mit dem Gefühl, einen See zu durchschwimmen: Eine Weile habe ich da das beruhigende Gefühl, dass ich immer noch zurückkehren kann. Aber dann ist eine Umkehr unmöglich, ich muss weiterschwimmen oder untergehen." "Das klingt gefährlich." "Aber das sind die interessantesten Momente im Leben. Wenn keine Rückkehr möglich ist, im Moment der Gefahr formt sich der Charakter und man kommt der Wahrheit näher." Ich lasse die Zeitschrift sinken und denke, sie hat es verstanden! Wie radikal Jesus nämlich lebte. Unterzugehen oder Neuland zu betreten. Auch von den Seinen hat er das verlangt: Familien, Existenzgrundlagen zu verlassen, seinem Leben eine Wendung zu geben. Ganz aus dem Vertrauen in Gott zu leben. Ob ich auch so leben könnte? Mutiger in unbekanntes Lebenswasser hinauszuschwimmen? Nicht zu wissen, wo man das Haupt bettet? Aber in anderen, die auch Gottes Wort tun, Bruder und Schwester erkennen! Mich lockt die Verheißung einer neuen Familiensolidarität zwischen den Völkern und Hautfarben auf der Erde. Und sie tut Not! Vor allem aber reizen mich die Klarheit, die Einfachheit und die Wahrhaftigkeit solchen Lebens. Auch nach 2000 Jahren gilt der Ruf in die Entscheidung: entweder in scheinbarer Sicherheit schon mitten im Leben tot zu sein oder vertrauensvoll vieles aufzugeben, unverhofft Neues zu gewinnen und selbst die bleibende Lebendigkeit Jesu zu spüren. Pfarrer Matthias Jens

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