Wochenende mit Winnetou

Feierabend. Wochenende. Herrlich! Wenn wir wüssten. Unser Nachbar lauert bereits darauf, dass bei uns das Licht angeht. Minuten später klingelt es. Er hält uns einen Karton entgegen. Wir sehen Salat.

Und dazwischen - eine Schildkröte. Er habe sie an der Mosel gefunden, kein Herrchen weit und breit. Die Nächte seien doch noch so kalt! Sein Deutsch ist nicht perfekt, Fremde anzusprechen scheut er sich - also hat er das Tier kurzerhand mitgenommen. Und auf uns gewartet. Er habe doch nur ein Apartment, bei uns dagegen könne es tagsüber in den Garten. Und hatten wir nicht mal erwähnt, an einer Landschildkröte Spaß zu haben? Wir erklären, dass man in Deutschland ein solches Tier nicht einfach behalten darf. Doch für die nächsten zwei Tage ist keine Anlaufstelle erreichbar. Also gut, lass sie hier! Wir rüsten eine Kiste aus mit dem, was Kröten unserer Meinung nach über Nacht so brauchen, und stellen sie in den Keller. Später fällt uns das Amphibien-Buch im Regal ein. Tatsächlich: Da ist sie. Eine indianische - Sumpfschildkröte! Glückwunsch. Mitten in der Nacht erweitern wir die Kiste um eine Wasserschale. Doch unser Indianer, wir nennen ihn "Winnetou", sitzt am Morgen immer noch regungslos in der Ecke. Das Futter ist unberührt. Wir probieren es mit Salat. Mit Gurke. Wir kaufen Wasserflöhe. Winnetou streikt. Tagsüber hockt er starr im Garten, nachts hockt er starr im Keller. Im Gegensatz zu uns: Hat er endlich gefressen? Sich wenigstens gerührt? Am Montag führt der erste Weg zum Telefon. Stadtverwaltung, Tierheim. Schließlich findet sich ein aufnahmebereiter Fachmann. Wir atmen auf. Winnetou auch. Inge Kreutz In der Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

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