ZUM ADVENT

Es war einmal ein kleiner Junge, der freute sich unbändig auf Weihnachten. Weil es aber erst Mitte Dezember war, und die Zeit bis zum Fest so endlos lang erschien, riet ihm die Mutter: "Stell doch heute Abend einen Pantoffel auf die Fensterbank ..." Das tat er, erwartungsfroh und mit pochendem Herzen.

Nicht ahnend, dass das Erwachen ein ziemlich böses werden sollte. Statt der erhofften Süßigkeiten fand sich eine Handvoll Kohlen, echte pechrabenschwarze Kohlen in dem Pantoffel. Der geneigte Leser ahnt es schon: Der Junge war ich und der Schock groß. Dazu gesellte sich ein ernstes Problem: Wie sollte ich meiner (allein erziehenden) Mutter erklären, dass ihr Erstgeborener in den Augen der himmlischen Mächte ja wohl ein ziemliches Früchtchen sein musste - was aber in keiner Weise der Wahrheit entsprach. Meine Mutter tat ganz unschuldig, und ich ahnte erst ein oder zwei Jahre später, als ich in der Schule war und mich Kameraden aufklärten ("Ätsch! Es gibt gar kein Christkind. Und auch keinen Nikolaus und keinen Osterhasen"), wer in Wahrheit hinter der bösen Bescherung gesteckt hatte. Mit meiner Mutter habe ich nie mehr darüber gesprochen. Sie erfährt erst jetzt via TV von der Fragwürdigkeit ihrer erzieherischen Maßnahme (Na, schmeckt der Kaffee noch?!), die allerdings immer noch nachwirkt. Seit damals sind die meisten meiner Wünsche sozialverträglich, politisch meist korrekt und "in öffentlichem Interesse" (also völlig unegoistisch). Derzeit ganz oben auf dem imaginären Zettel: der Wiederaufstieg der Trierer Eintracht. Das müsste doch zu machen sein ... Roland Morgen

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