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Was ist Ironie? Rein definitorisch geht es bei diesem Ausdrucksmittel um den Unterschied zwischen wirklicher und wörtlicher Bedeutung des Gesagten. Doch Ironie ist nicht jedermanns Sache. Ich hingegen liebe sie - meistens.

Eine Ausnahme davon bildet bei mir höchstens alles rund um das Thema "Weihnachtsbaum".

Kennen Sie "Von drauß' vom Walde komm' ich her. Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr"? Als Kind diese Verse im Schatten eines künstlichen Weihnachtsbaumes zu rezitieren, war bitterste Ironie. Bereits bei "allüberall auf den Tannenspitzen" erreichte die seelische Grausamkeit dann einen ersten Höhepunkt. Nichts gegen Tannenbäume ohne prächtige Spitze. Echte Bäume sind schließlich ein Naturprodukt. Aber was bitte hatte sich der Hersteller der elterlichen Plastik-Tanne gedacht, als er dieses unästhetische Etwas vor mehr als 20 Jahren vom Band ließ? Auf diese Frage werde ich vermutlich niemals eine Antwort finden. Eigentlich will ich es jetzt auch gar nicht mehr wissen. Denn mein Tannenbaum-Trauma wird bald der Vergangenheit angehören. Mit schnellen Schritten geht es quasi seiner Überwindung entgegen. Der Countdown läuft. In zehn Tagen ist "W-Day" - der Tag, an dem ich meinen allerersten und vor allem echten Weihnachtsbaum aussuchen werde. Der Gedanke daran erfüllt mich mit freudiger Erwartung. Wie wird er wohl sein, mein Baum? Wie grün das Grün? Wie ausladend die Zweige? Die Größe spielt keine Rolle, das steht schon mal fest. Denn allein die Vorstellung, nach all den Jahren auf einen echten Baum gucken zu dürfen, erscheint mir reizvoller, als es der Anblick eines Geschenkeberges jemals könnte. Mit einer Plastik-Tanne aufgewachsen zu sein, hat mich eben Bescheidenheit gelehrt. Höchstens beim Baumbehang werde ich diese kurz vergessen, um aus meinem ersten Baum mit vielen Kugeln, Lametta satt und drei Dutzend Kerzen aus Bienenwachs ein wahres Schmuckstück zu machen.

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