Seelenheil im Sauseschritt

Trier · Wie erlebt eigentlich das Trierer Kirchenoberhaupt die Heilig-Rock-Wallfahrt? Der TV hat Bischof Ackermann einen Wallfahrtstag lang begleitet. Ein Protokoll.

Trier. Es ist noch nicht ganz 9 Uhr an diesem verregneten Trierer Aprilmorgen. Stephan Ackermann ist seit einer Stunde auf den Beinen. Zum Frühstück gab es Marmelade mit Quark. Jetzt sitzt der Bischof von Trier einsam und alleine im Chorgestühl des Doms und schaut geradeaus. Gleich beginnt der Gottesdienst. Die Kathedrale ist gut gefüllt an diesem Wallfahrtsmorgen.

9 Uhr, die Glocken schlagen. Eine Tür im Seitenschiff öffnet sich. Heraus kommt eine Prozession mit gut 20 Priestern und Minis tranten und dem Bischof von Regensburg. Der Kollege von Ackermann kommt extra wegen des Heiligen Rocks und darf heute als Ehrengast die Morgenmesse halten. Als die eindrucksvolle Gruppe bei den hinteren Sitzreihen ins Hauptschiff einbiegen will, kommt sie ins Stocken. Eine Reisegruppe aus China steht im Weg. Priester, Chinesen und Bischof kommen durcheinander, bevor die Ehrenwache der Trierer Schützen zu Hilfe eilt und das Chaos auflöst. Am Altar begrüßt Ackermann die Gäste aus Bayern und hält eine kurze Ansprache. Nach dem Kyrie eleison verschwindet er durch einen Seitenausgang - er hat heute noch viel zu tun.

9.30 Uhr. Zwei Journalisten vom niederländischen Fernsehen stellen dem Bischof im Domkreuzgang brave Fragen: "Ist der Rock echt?" und: "Wie berührt die Tunika Sie persönlich?" Ackermann antwortet aus dem Stegreif und wie gedruckt. In einer Gesprächspause blickt er auf das Mikrofon und sagt: "Ich sag\'s ihnen gleich: In einer Minute kommen die Glocken." Die Holländer verstehen nicht so recht. Natürlich versiebt das Glockengeläut Ackermanns nächste Antwort. "Soll ich noch mal? Oder schneiden sie das raus?" Der Bischof weiß, wie man mit den Medien umgeht.

10 Uhr. Ackermann ist strammen Schrittes auf dem Weg zum Bischofshof. Er will sich auf eine Messe vorbereiten. Trotzdem lässt er sich an fast jeder Straßenecke auf ein Gespräch mit seinen Schäfchen ein. Hinter dem Dom trifft er auf einen der freiwilligen Helfer. Der Mann erzählt, dass er normalerweise bei der Justizvollzugsanstalt Wittlich arbeitet. Ackermann ist begeistert. Einer vorbeigehenden Pilgergruppe ruft er zu: "Wissen Sie, wo der arbeitet? In der JVA!" Eine Pilgerin antwortet: "Und wir kommen alle aus der Psychiatrie!" Ackermann kann nicht mehr vor Lachen.

11 Uhr, im Garten des Priesterseminars. Trotz strömenden Regens wollen mehr als 1000 Mitarbeiter von kirchlichen Krankenhäusern und Altenheimen mit Bischof Stephan einen Gottesdienst feiern. Ackermann hat die Bischofs-Mitra aufgesetzt, er ist jetzt ganz Priester. Andächtig zelebriert er die Messe. "Er ist so ein guter Bischof", sagt eine der Kirchenangestellten enthusiastisch, die im Torbogen die Stellung hält. "Er hat immer ein offenes Ohr, spricht die Menschen an und begegnet ihnen sehr warmherzig." Für Kirchenkritik ist hier der falsche Platz.

16 Uhr, wieder vor dem Bischofshof. Ackermann will in die Agritius-Kirche im Gartenfeld. Eigentlich wollte er zu Fuß gehen, aber es regnet noch immer. Ackermanns persönlicher Referent, Kaplan Frank Kleinjohann, soll den Fahrer herantelefonieren. Nach nur drei Minuten kurvt der Bischofswagen um die Ecke: ein dunkler 5er BMW, innen helles Leder, außen Werbung für die Wallfahrt. Im Pfarrheim von St. Agritius haben geistliche Gemeinschaften ihr Lager aufgeschlagen. Sie bieten müden Pilgern Kaffee und Kuchen an. Von denen sind heute nur wenige hier. Trotzdem gibt es ein großes Hallo, als der Bischof das Café betritt. Ackermann genießt das Heimspiel. "Trinken wir jetzt Kaffee, oder wie? Wer trinkt Kaffee mit dem Bischof?" ruft er. Artig setzen sich alle mit ihren Tassen um den Bischof. Beim Hinausgehen macht Ackermann an einem Tisch halt, an dem zwei Männer kirchliches Infomaterial anbieten. "Was ist das? Und was ist das?" Die Helfer kommen mit dem Erklären kaum nach.

17 Uhr. Zurück im 5er BMW. Es geht nach St. Antonius. Die Kirche am Viehmarkt wird während der Wallfahrt von Ordensleuten betreut. Um 17 Uhr beginnt eine Vesper, die die Arenberger Dominikanerinnen gestalten. "Ich will rumgehen, schauen, sonst hat man die Sachen ja nicht gesehen", erklärt Ackermann. Er ist etwas sauer, dass berichtet wird, dass so wenige Pilger kommen. "Das muss sich alles erst einspielen", sagt er. Kaum hat der Fahrer vor der Kirche gehalten, springt der Bischof aus dem Auto. "Wen haben wir denn da?" ruft er. Ein junger Vater hält dem Kirchenmann etwas verdutzt sein Kind zum Segnen entgegen. Dann geht es im Sauseschritt ins Gotteshaus. Die Ordensfrauen tuscheln nervös, als sie den Bischof entdecken. "Schwestern, da müsst ihr ordentlich singen", bläut eine Nonne ihren Mitschwestern ein.
Nach der Vesper ist Zeit für ein Schwätzchen mit den Dominikanerinnen. Es geht um eine Küchenlampe, die der Bischof gerne einmal gehabt hätte. "Manchmal vergisst er Zeit und Raum", sagt Kaplan Kleinjohann, der im Schatten hinter den aufgeregten Nonnen steht. Sein Job sei sehr oft, den Bischof an den nächsten Termin zu erinnern.

18 Uhr. Es hat aufgehört zu regnen. Nach einem letzten Gruppenfoto mit den Nonnen marschiert Ackermann wieder energisch durch die Stadt. Er hat gleich einen Termin mit der Steuerungsgruppe der Wallfahrt. Danach ist er zu einem Empfang im Robert-Schumann-Haus eingeladen.

22 Uhr. Im Dom geht der letzte Gottesdienst zu Ende. Bischof Ackermann hat dabei den Wallfahrtstag Revue passieren lassen. Jetzt ist Feierabend. Morgen früh geht die Wallfahrt weiter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort