Wallfahrt nach Trier: Aufbruch im Umbruch - 1844 wie auch heute

Trier · Wiedersehen mit Reinhard Marx: Der Kardinal und Erzbischof von München-Freising wird einer von hunderttausenden Pilgern sein, die an der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 teilnehmen. Schließlich ist Marx, 2002 bis 2008 Bischof von Trier, der "Vater" der bevorstehenden Jubiläumswallfahrt. Er hat sie im Abschlussgottesdienst der Heilig-Rock-Tage 2007 angekündigt. Über seine Beweggründe, seine Vorfreude und den Stellenwert, den er dem Großereignis beimisst, schreibt Reinhard Marx in seinem Gastbeitrag.

 Bischof Reinhard Marx vor dem Trierer Dom während des Heilig-Rock-Fests 2006. im Gespräch mit Jürgen Schmitt (Trier; links) und Hermann Hurth (Konz) vom Malteser Hilfsdienst (MHD). TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Bischof Reinhard Marx vor dem Trierer Dom während des Heilig-Rock-Fests 2006. im Gespräch mit Jürgen Schmitt (Trier; links) und Hermann Hurth (Konz) vom Malteser Hilfsdienst (MHD). TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

T rier war die Pforte des Evangeliums für Deutschland" - dieses Wort Papst Pius XII. (1876-1958) hat mich begeistert! In meinem Dienst für das Bistum Trier hat mich die Geschichte dieses ältesten Bistums von den römischen Anfängen bis zur Gegenwart sehr beschäftigt. Ich war stolz, Bischof von Trier zu sein und in einer so langen Kette von Apostelnachfolgern, angefangen vom Heiligen Eucharius, zu stehen.
Sichtbar wird die Bedeutung der Trierischen Kirche am Dom: Nicht nur geht er auf das Haus der Heiligen Helena zurück, sondern hier haben auch der Heilige Martin und der Heilige Athanasius gepredigt. Und im Dom wird der Heilige Rock verehrt. Er ist "das letzte Hemd" Jesu, das man ihm vom Leib gerissen und um das man das Los geworfen hat. Es hat mich tief bewegt, als ich dieses Gewand zum ersten Mal aus der Nähe betrachten konnte. In ihm scheint das ganze Leben und besonders die Passion Jesu aufzugehen. Der Mensch Jesus wird zum Greifen nah und bleibt dennoch in seiner Gottheit ein Geheimnis. Und zugleich bildet das Gewand mit seiner bewegten Historie auch die Geschichte des Bistums ab.
Der naheliegende Anlass, für 2012 eine Wallfahrt auszurufen, war das Jubiläum der ersten Ausstellung im Jahr 1512. Aber es sollte aus meiner Sicht keine rückwärts gewandte Erinnerung sein, sondern eine geistliche Vertiefung des gegenwärtigen Glaubenslebens und eine Stärkung auf dem Weg der Kirche in die Zukunft.
Bei allen Veränderungen, die wir auch im Bistum Trier in Gang gebracht hatten, ist leitend der Gedanke der geistlichen Erneuerung. Es geht darum, dass das Evangelium von Jesus Christus auch von kommenden Generationen gehört und bezeugt werden kann. Die Verehrung des Heiligen Rocks, und damit die Konzentration auf Jesus Christus, ist für das Bistum Trier eine große geistliche Gabe und Chance, die insgesamt die Kirche in Deutschland bewegen kann. Der Dom und der Heilige Rock sind das geistliche Zentrum des Bistums, und sie strahlen weit über die Bistumsgrenzen hinaus. Das haben die bisherigen Wallfahrten gezeigt, und es wird auch an der intensiven Vorbereitung auf diese Wallfahrt deutlich.
Von vielen Bistümern wird die Einladung nach Trier angenommen auf der Suche nach Quellen geistlicher Ermutigung. Auch ich werde mit einer Gruppe aus unserem Erzbistum nach Trier pilgern. Das wird für mich auch eine ganz persönliche Wallfahrt sein, auf die ich mich schon jetzt sehr freue.
Joseph von Görres schilderte die Wallfahrt, die 1844 zum ersten Mal nach den Wirren der Revolution und der Säkularisierung stattfand, als ein Aufbruchsignal für die katholische Kirche in Deutschland. Und so ist es auch gekommen: Die Wallfahrt von 1844 war ein Element der Erneuerung und des Aufbruchs nach einer schwierigen Zäsur für die Kirche in unserem Land.
Und das erhoffe ich mir auch für 2012. Obwohl die Situationen nicht einfach vergleichbar sind, kann auch diese Wallfahrt ein wichtiger Impuls für eine lebendige Kirche sein, in allen Herausforderungen und Umbrüchen Orientierung im Blick auf Christus zu finden. Der Heilige Rock mahnt in besonderer Weise zum Bemühen um Einheit, sowohl innerhalb unserer Kirche als auch in der Ökumene. Auch das Leitwort "Und führe zusammen, was getrennt ist" greift das auf. Wie sollte der Weg zur Einheit beschritten werden, wenn nicht in der Konzentration auf Jesus Christus? Es ist ein wichtiges Zeichen, dass der ökumenische Gedanke schon vor der Wallfahrt durch das Internationale Ökumenische Forum gestärkt wird.
1512 fand die erste Zeigung statt - fünf Jahre vor der Reformation. 2012 stehen wir fünf Jahre vor dem Reformationsjubiläum. Beide Daten verdeutlichen, dass es nicht um Nebensächlichkeiten gehen kann, sondern das Christuszeugnis im Mittelpunkt stehen muss. Ich bin froh, dass wir schon viel Trennendes überwunden haben und vieles uns im Glaubensleben verbindet. Und es ist großartig, dass die Wallfahrt erneut Menschen aller christlichen Konfessionen zusammenführen wird. Ich hoffe, dass die Heilig-Rock-Wallfahrt uns darin bestärken wird, im Blick auf Jesus Christus Einheit zu suchen und in allen Umbrüchen unserer Zeit gemeinsam den Glauben an ihn zu bezeugen.Extra

Reinhard Kardinal Marx, geboren am 21. September 1953 im westfälischen Geseke, ist seit 2009 Erzbischof von München und Freising. Zuvor war er von 2002 bis 2008 Bischof von Trier und hat 2007 die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 ausgerufen. Als Zeichen der Verbundenheit hat Bischofs-Nachfolger Stephan Ackermann Kardinal Marx im Oktober 2011 zum Trierer Ehren-Domkapitular ernannt. rm.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort