Ich staune und der Bischof tanzt

Staunen ist gesund. Daher war es eine gute Entscheidung, ins Pilgerzelt essen zu gehen.

Denn auf dem Weg dorthin musste ich mein Weltbild überarbeiten. Erstens: Die Deutschen zeugen viel mehr Kinder, als man denkt. Und die waren gestern alle im Palastgarten. Ich weiß, wir Trierer neigen zur Übertreibung. Aber das waren mindestens Zehntausend. Also viel zu viele, um es mit dem Begriff Milljuunen noch beschreiben zu können. Zweitens: Wenn Ihnen nochmal jemand verklickern will, die Kirche hätte ein Nachwuchsproblem - glauben Sie kein Wort! Die Jugend ist verrückt nach Jesus und nach all seinen Klamotten. Das Spektakel im Palastgarten sah nämlich nur aus wie Rock am Ring (allerdings ohne Bier, Schlamm und brennende Zelte). In Wirklichkeit war\'s aber ein Ding am Rock. Mit Bischof. Und zwar eins, das auch die Lateinschüler aus Antwerpen ins Staunen brachte: "Bei uns in Belgien fangen die Priester nicht mitten im Gottesdienst an zu tanzen", sagt einer. Die anderen nicken bekräftigend. Und ich staune. Was haben die da bloß gemacht? Das herauszufinden ist nicht leicht. Denn die Hälfte der 10 000 Schüler hat so weit hinten gestanden, dass sie das nur schwer erkennen konnten (Cool war\'s trotzdem!). Doch ein paar Jungs aus Bitburg wissen Bescheid. "Das war geil", sagen auch sie. Um den Bischof zu überraschen, hätten die Schüler einen Tanzflashmob vorbereitet, und dann hätten alle getanzt. Auch der Bischof, der den "Pal" inzwischen strahlend verlassen hat. Auch sonst sind alle blendend drauf: Vier pubertierende Jungs erzählen mir mit leuchtenden Augen, dass sie sich riesig darauf freuen, den Rock gleich zu sehen. Zwei 16-Jährige aus Vallendar schwärmen davon, wie der Marsch nach Trier ihre Gruppe zusammengeschweißt habe, wie ergreifend das letzte Lied im Abendlob war und wie gut sie auf den Heiligen Rock vorbereitet wurden. Ich hingegen war auf all das nicht vorbereitet. Endlich im Pilgerzelt erfahre ich dann auch noch, dass der vermeintliche Imam-Gesang, den ich am Priesterseminar gehört hatte, zu den 2000 arabischen Christen gehört, die gerade beim Rock sind. Schön! Ich staune gerne. In ihrer Kolumne "Trier rockt" macht sich unsere Redakteurin ihre eigenen Gedanken über die Heilig-Rock-Wallfahrt.

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