Meine Uroma hat ihn berührt!!

Trier · Dass der Heilige Rock eigentlich eine Berührungsreliquie ist, zeigt sich heute noch immer eindrücklich an den vielen fettigen Fingerabdrücken auf seiner Vitrine. Wohl aus Rücksicht vor seinem inzwischen recht hohen Alter schützt man ihn nun mit dickem Glas.

Das finde ich okay. Damals lief das alles noch ein wenig anders.

Mein Kollege Rolf Seydewitz hat mir dies mal erklärt, während er auf ein altes Foto zeigte: "Da hing der Kiedel noch. (Anmerkung der Redaktion: Das Wort Kiedel ist Trierisch für Rock und Experten zufolge keineswegs despektierlich. Nicht dass der Kollege noch Ärger mit dem Bistum kriegt!) Und dem da …", sagt er und zeigt auf einen Geistlichen, der auf dem Bild vor dem hängenden Heiligen Rock steht, "dem konntest du dein Klabastergedöns (Anmerkung der Redaktion: Ob dieses Wort despektierlich ist, ist unbekannt) geben, und der hat das dann für dich an den Rock gehalten …" "Und dann haben die Kranken ihre Krücken weggeschmissen", beendet mein Kollege Dieter Lintz den Satz.

Ob das mit den Krücken stimmt, weiß ich nicht. Am Rest ist eindeutig etwas dran, denn meine Urgroßmutter Gertrud Schuster aus Erpel am Rhein war 1891 im zarten Alter von 16 Jahren in Trier. Dies beweist eine sehr hübsche farbige Andenkenkarte (mit Maria, Rock, Monstranzen & Co.), auf der unten handschriftlich vermerkt ist: "Angerührt an den Heiligen Rock am 6. 9. 91." Als meine Eltern 1971 vom Rhein nach Trier zogen, bekamen sie dieses Kärtchen als Talismann geschenkt.

Dort angekommen, steckten sie es sorgfältig in die dunkle Schublade eines Sekretärs und schafften es (zumindest seit ich lebe), nie wieder von diesem Schatz zu sprechen. Das änderte sich vor wenigen Wochen. Gott weiß, warum. Inzwischen hängt die Karte hinter dickem Glas an prominenter Stelle im Wohnzimmer. Sogar im Dommuseum war sie kürzlich (und wären sie etwas früher mit ihrem Schatz dort angerückt - da sind sich meine Eltern sicher - dann würden den täglich Tausende Pilger bestaunen).

Stattdessen müssen das nun die Freunde tun, deren fettige Fingerabdrücke davon zeugen, wie stolz meine Eltern auf ihre schöne Rockreliquien anrührungsandenkenkarte sind.

In ihrer Kolumne "Trier rockt" macht sich unsere Redakteurin ihre eigenen Gedanken über die Heilig-Rock-Wallfahrt.

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