Erst Friedhof, dann Devotionalienfabrik

Das gut erhaltene Grab einer vor 1900 Jahren bäuchlings beigesetzten Frau ist der Sensationsfund der archäologischen Grabung im Herbst 2010 in der Maximinstraße gewesen. Neben 20 weiteren römischen Bestattungen kamen dort Überreste einer mittelalterlichen Devotionalienfabrik zum Vorschein.

Trier. Augusta Treverorum um das Jahr 100, eine junge Stadt in rasantem Aufschwung. Am Herrenbrünnchen zeugt ein monumentaler Tempel vom Stolz der Bewohner; neben dem Forum (am Viehmarkt) ist gerade das Gebäude entstanden, das im 4. Jahrhundert zu einer Thermenanlage umfunktioniert wird. Und auf dem Gräberfeld nördlich der Stadt, die noch keinen Mauerring und keine Torburgen à la Porta Nigra hat, finden sehr außergewöhnliche Beerdigungen statt: Der Leichnam einer etwa 35-jährigen Frau wird bäuchlings und mit reichen Beigaben in einer mit Ziegeln ausgekleideten und abgedeckten Grube beigesetzt - in einer Zeit, in der es üblich ist, Tote zu verbrennen.

Für die Archäologen des Landesmuseums ein Glücksfall: Sie legen das gut erhaltene Skelett der Frau im Herbst 2010 frei, als sie vor dem Bau eines Wohn- und Geschäftshauses in der Maximinstraße 32 das Areal auf historische Hinterlassenschaften untersuchen. "Diese Grabung war ein echtes Highlight des vergangenen Jahres", resümiert Stadtarchäologe Joachim Hupe. Das Grab der Frau wirft ganz neue Fragen auf. Es zählt zu den frühesten Körpergräbern im römischen Trier, ist aber, neben einem wenige Meter entfernt entdeckten, weniger gut erhaltenen zweiten "Bäuchlings"-Grab völlig unüblich.

Jesuskind-Figürchen in Massenproduktion



Denn römische Körperbestattungen erfolgen in aller Regel mit dem Gesicht nach oben. Vereinzelte Ausnahmen sind aus Rottweil und Avenches/Schweich bekannt und werden als Gräber von sozialen Außenseitern gedeutet. Die Maximinstraßen-Funde lassen Joachim Hupe aber zu einem anderen Schluss kommen: "Hier hat die Totenlage keine negative Bedeutung. Möglicherweise spiegeln Körperbestattungen dieser Art besondere Vorstellungen und Traditionen einer Bevölkerungsminderheit wider, die für uns nicht greifbar sind."

In die Kategorie "normal" fallen die 19 weiteren Römer-Gräber (acht Brand-, 13 Körperbestattungen), die von den Grabungsleitern Hupe und Hanne Comann sowie ihrem Team in der Maximinstraße freigelegt wurden. Die 600 Quadratmeter große Grabungsfläche zählte, weil nahe der Ausfallstraße des römischen Trier gelegen, zu den Top-Lagen des antiken Gräberfelds.

Im späten Mittelalter hatte das Areal eine völlig andere Funktion. Aufgedeckte Siedlungsstrukturen aus dem 14. und 15. Jahrhundert lassen auf eine Ansiedlung schließen, die zur Benediktinerabtei St. Maximin gehört haben dürfte. Dort wurde aber nicht nur gewohnt, sondern auch fleißig gearbeitet. Den Fund einer rund 600 Jahre alten Metallgussform aus Schiefer wertet Hupe als den für Trier ersten Nachweis einer kirchlich institutionalisierten Produktion von Devotionalien. Mit dieser Form, die zu einer mehrteiligen Gussform zählte, konnten kleine Christusfiguren aus einer Blei-Zinn-Legierung gegossen werden. Sie zeigt eine 3,4 Zentimeter hohe Darstellung des Jesuskinds, die rechte Hand zum Segen erhoben und in der linken wahrscheinlich die Weltkugel haltend. Diese Figürchen konnten als Massenartikel in größerer Stückzahl produziert und preiswert erworben werden. Extra Grabungen 2011: Das Rheinische Landesmuseum erwartet auch in diesem Jahr aufschlussreiche archäologische Grabungen. So wird an der Gerberstraße (Trier-Süd) ein Grundstück untersucht, auf dem eine private Tiefgarage entsteht. In der Römerzeit befand sich dort ein dicht besiedeltes Wohnquartier. Zum nördlichen Gräberfeld und im Mittelalter zur Abtei St. Maximin gehörte das Areal an der Reichsabtei, auf dem ein Parkdeck für das neue Polizeipräsidium gebaut wird. Auch dort gräbt erst das Landesmuseum. (rm.)

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