Das Halsband des Hundes

Jetzt mal nicht gleich erschrecken! Auch wenn es um ein Thema aus der Schulzeit geht, an das sich manche nur ungern erinnern: die deutsche Grammatik. Heute soll die Rede sein vom Gebrauch des Genitivs.


Zur Erinnerung: Der Genitiv ist der zweite Fall bei der Deklination eines Hauptwortes, und man fragt nach ihm mit wessen.
Wenn wir gutes Hochdeutsch schreiben oder sprechen (müssen), heißt es: Jetzt ist die Zeit des Abschiednehmens, das sind die Farben des Herbstes, vor der Gefährlichkeit der Straße wird gewarnt, wir gedenken der Verstorbenen und so weiter.
Hier handelt es sich um Formulierungen, bei denen die jeweiligen Satzergänzungen (Abschiednehmen, Herbst, Straße, Verstorbene) mit dem Genitiv verbunden sind. Gebildet hört sich das an.
Aber mal ehrlich: Wenn wir unter uns sind oder mit Freunden plaudern, sprechen wir dann so? Nein, wir vermeiden den Genitiv gerne und drücken uns durch umschreibende Formulierungen daran vorbei.
Wir Trierer haben es da leichter, denn in der Trierischen Mundart gibt es überhaupt keinen Genitiv. Wer Trierisch spricht, muss sich an nichts vorbei drücken.
Bereits die Wörter wessen, dessen und deren fehlen im Wortschatz. Stattdessen heißt es wem sein, dem sein und däänen heer: Wessen Hund ist das? Wem sein Honnd öss datt? Wessen Handy hat geklingelt? Wem sein Hänndi haott geklingelt? Wer mehr als ein Feld ankreuzt, dessen Stimme ist ungültig. Wä mie wie aa Kreuz mischt, dem sein Stömm öss onngültisch. Deren Meinung interessiert nicht: Däänen heer Maanong öss Puubes.
Noch Beispiele?? Der Giebel des Hauses ist beschädigt. Dem Haus sei Giewel öss e bössi kabodd. Die Türme der Kirche müssen erneuert worden. Der Körsch heer Törm mössen nei gemaach gänn. Und bitte übersetzen Sie nach diesen Erklärungen nun zum Schluss: Das Halsband des Hundes von Peters Mutter wurde gestohlen. Dämm Pidder seiner Modder heerem Hund sein Halsband gaof geklaut.
Dem Trierischen sein Reiz ist nicht zu leugnen.
Horst Schmitt ist Autor des Trierer Wörterbuchs, das im Trier-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich ist. Gemeinsam mit Josef Marx hat er über 10 000 Stichwörter in Hochdeutsch-Trierisch und Trierisch-Hochdeutsch zusammengetragen. Die beiden Autoren erläutern in unserer Kolumne "Trierisch balaawern" wöchentlich Besonderheiten der Trierer Mundart.

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