Pulsierendes Leben über römischen Gräbern
Trier-Nord · Waschechte Eurener, waschechte Ruwerer - viele Ureinwohner bekennen sich zu ihren Stadtteilen. Aber waschechte Trier-Norder? Die gibt\'s nicht. Wohl aber Pauliner, Zurmaiener und "Maorenser". Das liegt daran, dass Triers bevölkerungsreichster Stadtteil viele Kerne hat. Seit 1888 gehören die einstigen Vororte zur Stadt.
Die Ursprünge von Trier-Nord liegen auf dem Friedhof, auf dem Gräberfeld vor der Porta Nigra. Die Römer pflegten ihre Verstorbenen außerhalb der Stadt beizusetzen, öffentlichkeitswirksam entlang der Ausfallstraßen Richtung Mainz und Metz mit für jedermann sichtbaren Grabdenkmälern, von denen nicht wenige so prunkvoll waren wie die Igeler Säule. Auch die Bischöfe Maximinus (Amtszeit 329-346) und Paulinus (347-358) fanden ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof im Norden. Über ihren Gräbern entstanden Kirchen und Klöster - der Beginn von Siedlungskontinuität. Gegenstück auf dem südlichen Gräberfeld ist St. Matthias.
Erste Ortschaften bildeten sich im 12. und 13. Jahrhundert heraus. Auf dem Gerichtsbild von 1589, das die der Trierer Gerichtsbarkeit unterstellten Orte und Klöster zeigt, finden sich auch Abbildungen von S. Paulein (St. Paulin), S. Maximem (St. Maximin) und Mhar (Maar) sowie des Klosters St. Marien, dessen Ostflügel noch existiert und seit 1972 das Jugendzentrum Exzellenzhaus beherbergt. Maar klingt nicht von ungefähr nach Wasser: Dort floss der vom Altbach abgezweigte Stadtbach Richtung Mosel und speiste im Mittelalter einen erzbischöflichen Fischteich.
In Kriegszeiten war das Leben außerhalb der Stadtmauern eine wenig erbauliche Angelegenheit. Oft wurden die Vororte regelrecht platt gemacht. Von Angreifern, um freies Schussfeld zu haben, oder von Städtern, die Feinden keine Rückzugsmöglichkeiten geben wollten.
Vor gut 200 Jahren kehrte relative Ruhe ein. Trier, 1794 von Revolutionstruppen eingenommen, gehörte 20 Jahre lang zu Frankreich. 1801 zählte die Stadt 8829 Einwohner, Maar mit 555 Bewohnern war größter Vorort. Doch die Zeit unter der Trikolore brachte einschneidende Veränderungen. Napoleon ließ Klöster und viele Kirchen enteignen und abreißen; die vormalige Stiftskirche St. Paulin wurde Pfarrkirche. Preußenzeit (ab 1815) war zunächst Friedenszeit, dennoch militärisch geprägt. Der Bering der einst so mächtigen Reichsabtei St. Maximin wurde Kaserne, und in den Kasernenneubauten, die im 20. Jahrhundert entstanden, wechselten sich deutsche, amerikanische und französische Soldaten ab.
Die Eingemeindung von Paulin, Maar und Zurlauben (und im Süden St. Barbara und Löwenbrücken) am 1. April 1888 war überfällig: Trier wuchs endlich über die mittelalterliche Stadtmauer hinaus und brauchte dringend Bauland. Wenn auch noch in den letzten Jahrzehnten viele Gartenbaubetriebe im Maarviertel dem Wohnungsbau gewichen sind, domiert in der Nordstadt immer noch das Natur-Grün. Der Hauptfriedhof (angelegt 1804) ist Triers größter Park. Und das Castelforte-Gelände mit der Arena ein Paradebeispiel für eine genutzte große Chance, einem ausgedienten Kasernenareal pulsierendes Stadtleben einzuhauchen.Extra
Lesen Sie morgen in unserer Reihe: Ein Porträt über Günter und Rainer Stiedel, die einen der ältesten Familienbetriebe im Stadtteil führen.