Sonntagsspaziergang in Agfa Color - Als in Trier die Bilder laufen lernten

Trier · In Zusammenarbeit mit dem Trierer Filmforscher und Medienexperten Ralf Kotschka präsentiert der Trierische Volksfreund historische Filme aus Trier. Den letzten Teil der alten Schwarz-Weiß-Streifen gibt es jetzt exklusiv auf volksfreund.de.

So manche moderne Idee fuhr im Eilzug an Trier vorbei - ohne anzuhalten. So scheinbar auch der Amateurfilm. Was andernorts als Hobby betuchter Städter und Fortschrittsgläubiger galt, scheint für Trier nicht zuzutreffen: Nur sehr wenige private Filmaufnahmen sind vor 1945 nachweisbar. Wallfahrt 1933: Erst zur Heilig-Rock-Wallfahrt 1933 wurde in Trier wieder gedreht - zum Beispiel von der Filmgruppe der Bayer-Werke. Überlebt haben diese Filme im Bistumsarchiv. Die dokumentarischen Aufnahmen zeigen die Pilgermassen, die Gebete und Gottesdienste der Gläubigen, den Rock selbst, prominente Besucher - und sie zeigen die nationalsozialistischen Helfer mit Hakenkreuzfähnchen und Armbinden. Diese waren als Ordner eingesetzt und halfen bei der Durchführung der Organisation, bewachten Parkplätze und halfen alten Menschen über die Straße. Die Wallfahrt von 1933 fand wenige Tage nach dem Reichskonkordat statt, einem Vertrag zwischen Kirche und Staat, der der katholischen Kirche ihre kirchliche Identität und Freiheit bewahren sollte. Zustande gekommen war er unter Mitwirkung des Trierer Prälaten und Zentrumspolitikers Ludwig Kaas. Aus der Zeit des Nationalsozialismus haben sich wenige Filmdokumente erhalten: Ein Besuch von Reichspräsident Hindenburg in Trier ist belegt. Er spricht in pathetischen Worten über die Wiedereingliederung des Saarlandes. Darüber gab es 1935 eine Volksabstimmung. Wenige Tage vorher besuchte der von Hitler zum "Saarbevollmächtigten" ernannte Vizekanzler Franz von Papen Trier. Es sind die einzigen bekannten Filmaufnahmen, die Menschenmassen mit Hitlergruß in der Simeonstraße zeigen. Eistradition seit 1937: Einzigartig sind die privaten Filmaufnahmen einer alteingesessenen Trie8rer Familie, die man auch heute noch kennt: Familie Calchera. Sie war 1937 aus Italien nach Trier gezogen und hatte hier die Eisdiele "Dolomiten" eröffnet. Genau wie die italienischen Maronenröster lebten sie sich schnell ein. Um den Angehörigen zu Hause die neue Heimat Trier vorzuführen, drehte man kurze Schmalfilme in Agfa Color. Das war - zumindest für Trier - genauso innovativ wie die neueste italienische Mode, die die Damen beim Familienausflug am Moselufer zur Schau trugen. Die Schuhe mit hohen Korkabsätzen waren sicher der neueste Schrei. Auf den Privataufnahmen sehen wir den rauchenden Schornstein des alten Schlachthofs am gegenüberliegenden Moselufer. Die breiten Blumenrabatte vermitteln einen Eindruck davon, wie schön und großzügig das stadtseitige Promenadenufer einst angelegt war. Im Hintergrund erkennt man noch die in die Mosel hineingebaute Martinsmühle, ehemals Teil der Abtei St. Martin, die 1963 abgerissen wurde. Noch heute steht auf der Markise der Eisdiele in der Simeonstraße "seit 1937". Ein bisschen stolz ist man schon auf diese ungewöhnlich lange Eismacher-Tradition.. 1945 - Die Amerikaner kommen wieder nach Trier: (Filmaufnahmen leider nicht verfügbar) Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg zogen auch mit Ende des Zweiten Weltkriegs amerikanische Truppen in die Stadt ein. Wieder hatten sie Bildberichterstatter dabei, die militärische Szenen in der Stadt festhielten. Zum Beispiel das Durchgangslager auf dem Petrisberg. Unter den Nazis war es als "Stalag 12" ein Lager für unliebsame Regimegegner und Zwangsarbeiter - zeitweise war hier der später berühmte französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre inhaftiert. Nun hielt man deutsche Kriegsgefangene dort fest. Szenen, die in amerikanische Wochenschauen Eingang fanden, war die Umbenennung des "Adolf-Hitler-Platzes" in "Bahnhofsplatz". Kameramänner inszenierten das Abschrauben der Straßenschilder am Hotel Monopol gegenüber dem Bahnhof und traten demonstrativ mit dicken Militärstiefeln auf das Hitler-Straßenschild. Ein eindrucksvolles visuelles Zeichen für den amerikanischen Kinobesucher: Hitler war besiegt. Von den amerikanischen Soldaten, die in der Region eingesetzt waren, sollten später einige berühmt werden: Ernest Hemingway als Schriftsteller, oder Russ Meyer als Filmregisseur. Noch heute kursiert die Geschichte, dass amerikanische Truppen, die sich Trier von einigen Seiten näherten, eine der beiden Trierer Moselbrücken von vorbereiteten Sprengladungen befreit hätten. Angeblich sind diese Szenen auch filmisch festgehalten worden. Noch ist dazu kein Filmmaterial aufgetaucht, allerdings gibt es auf amerikanischer Seite eine Vielzahl soldatischer Erzählungen über die Einnahme der Stadt. Zusammen mit vielen erhaltenen Fotografien ergänzen sie die aufgefundenen Filmaufnahmen, die im Stadtmuseum Simeonstift zu sehen sind. www.volksfreund.de/altefilme

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