1879-mal Ja und einmal Nein in 32 Jahren: Standesbeamter der Verbandsgemeinde Ruwer geht in den Ruhestand

Waldrach · Im Oktober 1983 ist Gerd Werhan zum Standesbeamten der Verbandsgemeinde (VG) Ruwer bestellt worden. Nach 1879 Trauungszeremonien hat er nun seinen Ruhestand angetreten. Dem Trierischen Volksfreund hat der 63-Jährige erzählt, wie er die 32 Jahre als Standesbeamter erlebt hat.

 So kennen ihn die meisten Brautleute: Gerd Werhan (63) im Standesamt Waldrach. TV-Foto: Anja Fait

So kennen ihn die meisten Brautleute: Gerd Werhan (63) im Standesamt Waldrach. TV-Foto: Anja Fait

Foto: Anja Fait (anf) ("TV-Upload Fait"

Heiraten ist für Gerd Werhan 32 Jahre lang Tagesgeschäft gewesen. Schwer getan hat sich der Standesbeamte eigentlich nur mit seiner ersten gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. "Anfangs war ich total dagegen", sagt er. Nachdem er jedoch gesehen habe, wie verliebt die beiden Frauen ineinander waren, sei ihm wieder klar geworden, dass es bei allen Paaren darum geht, diese überwältigenden Gefühle in einem Ja zu verfestigen.
"Diese Frauen haben mir dazu verholfen, meine Einstellung zum Thema Homosexualität komplett zu ändern", sagt er.
"Vertrauensverhältnis aufbauen"


Zu Beginn seiner Karriere hat sich Werhan diese Zeremonie nicht vorstellen können. In 32 Jahren als Standesbeamter ist Gerd Werhan an und mit seinen Aufgaben gewachsen.

"Rückblickend muss ich feststellen, dass es für mich ein Glücksfall war, gleich nach meiner Verwaltungslehre von 1967 bis 1969 das Sachgebiet Personenstandswesen zu übernehmen", resümiert Gerd Werhan. Die Begegnung mit Menschen und das Gefühl, ihnen bei der Erfüllung ihrer Anliegen behilflich sein zu können, habe ihm von Beginn an Freude bereitet. Hier habe er gelernt, richtig zuzuhören und sich in andere Menschen hineinzuversetzen. "Mit dem Standesbeamten werden auch schon mal sehr intime, zwischenmenschliche Probleme besprochen, die natürlich nicht nach außen dringen dürfen", sagt er. "Da ist es besonders wichtig, den Leuten auf Augenhöhe zu begegnen und ein gesundes Vertrauensverhältnis aufzubauen."

Im Laufe der Jahre hätten sich die Aufgaben im Standesamt verändert, sagt Gerd Werhan. Anfang der 1990er-Jahre etwa hätte der erste Computer im Standesamt Einzug gehalten. "Das war bis dahin unvorstellbar", sagt er. Auch seine Dienstzeiten sind nicht immer gleich geblieben. "Wurde früher grundsätzlich während der Öffnungszeiten der Verwaltung in einem einfachen Rathauszimmer geheiratet, kommen die Leute heute außerdem zum Teil aus ganz Deutschland, um sich das Ja-Wort im Mertesdorfer Schloss zu geben", berichtet er.
Auch von mehr und mehr Gesetzestexten, die er aufgrund einer immer größer werdenden Auslandsbeteiligung wälzen musste, erzählt der 63-Jährige. "Ein Standesbeamter ist verpflichtet, jeden nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit zu behandeln. Wir haben hier die internationalen Gesetze aus allen Ländern der Welt vorliegen", erklärt er.

Mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt für Gerd Werhan nach 1879 Trauungen nun eine neue Lebensphase. Diese möchte er hauptsächlich seiner Familie und seinen Hobbys widmen. Dazu zählen das Wandern und der Aufenthalt in der freien Natur, das Fotografieren und die Musik der 1950er- und 1960er-Jahre. Heiraten kann man bei der Verbandsgemeinde Ruwer natürlich auch weiterhin. Insgesamt sind hier sechs Personen zu Standesbeamten bestellt.Extra

Auf Nimmerwiedersehen: Einer Frau ist es widerfahren, dass kurz vor der Eheschließung nicht nur der Bräutigam weg war, sondern auch ihr Auto und ihr Erspartes. Wie sich herausstellte, war sie auf einen Heiratsschwindler hereingefallen.

Dann doch nicht: Drei bis vier Heiratswillige springen jährlich zwischen der Eheanmeldung und dem großen Tag ab. Einmal sagte ein völlig aufgelöster Mann seine geplante Hochzeit mit der Begründung ab, er habe soeben seine Braut mit einem anderen Mann im Bett erwischt.

Nicht nur freudentrunken: Ein Paar erschien derart alkoholisiert zur Trauung, dass sich der Standesbeamte weigerte, die Zeremonie durchzuführen. Bei klarem Verstand sind die Heiratswilligen dann zu einem späteren Zeitpunkt von Gerd Werhan getraut worden.

Die Ersten und die Letzten: Die ersten Brautleute, die Gerd Werhan 1983 als offiziell bestellter Standesbeamter getraut hat, sind die Eltern des Bräutigams seiner zuletzt vor dem Ruhestand vollzogenen Trauung in 2015.

Und tschüss!: Ein einziges Mal in 32 Jahren ist es vorgekommen, dass ein Mann die Frage, ob er seine Braut aus freiem Willen zur Frau nehmen möchte, laut und deutlich verneint hat. Der Bräutigam in spe verließ daraufhin schnellen Schrittes den Trausaal. Er hinterließ eine verzweifelt weinende Braut, deprimierte Schwiegereltern und Gäste sowie einen geschockten Standesbeamten. anfExtra

So gelingt die Ehe: "Man muss immer an sich selbst arbeiten und begreifen, dass man selbst nicht das Wichtigste in einer Partnerschaft ist. Wer begriffen hat, welcher Wert dahintersteckt, dass da jemand ist, der von sich aus bereit ist, das Leben des anderen zu begleiten, der kann seinen Partner auch als den Schatz behandeln, wie es ihm gebührt." (Gerd Werhan) Der Standesbeamte selbst ist übrigens seit 30 Jahren glücklich verheiratet. Getraut wurde er vom früheren VG-Bürgermeister Hermann Feldges. anf

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