Alarm im Zählbezirk

TRIER-LAND. Für die einen ist es "der größte Schwachsinn, den man sich vorstellen kann", andere befürworten "den ersten vernünftigen Ansatz einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft". Die Einführung der doppelten Buchführung (Doppik) in den kommunalen Verwaltungen spaltet die Gemüter und bringt beträchtliche Mehrarbeit.

 Bis zur Umstellung der Buchführung auf die Doppik muss das Inventar der Gemeinden erfasst werden. Selbst Straßen müssen zentimetergenau vermessen werden, damit eine korrekte Eröffnungsbilanz erstellt werden kann. TV-Foto: Monika Kewes

Bis zur Umstellung der Buchführung auf die Doppik muss das Inventar der Gemeinden erfasst werden. Selbst Straßen müssen zentimetergenau vermessen werden, damit eine korrekte Eröffnungsbilanz erstellt werden kann. TV-Foto: Monika Kewes

Die Verbandsgemeinden Schweich und Ruwer wollen die Buchführung ihrer Gemeinden zum 1. Januar 2009 von der Kameralistik auf die Doppik umstellen. Das ist der späteste Zeitpunkt, den der Gesetzgeber zulässt. Das Klassenziel schon ein Jahr früher erreichen will die Verbandsgemeinde (VG) Trier-Land - eine "Stressaufgabe", wie Bürgermeister Wolfgang Reiland einräumt. Denn bevor mit einem "sauberen Schnitt" aller Buchungsvorgänge am 31. Dezember 2007 um null Uhr das neue Zeitalter im Rechnungs- und Haushaltswesen beginnt, ist viel Kärnerarbeit zu leisten: zählen, erfassen, bewerten. Die ersten beiden Punkte sind abgeschlossen. Zwei Vollzeitkräfte der VG waren in allen Orten unterwegs, um das Vermögen der elf Gemeinden inklusive Ortsteile aufzulisten. Diese Inventur ist sehr mühsam, denn es müssen alle Grundstücke, Gebäude, Straßen und das bewegliche Vermögen bis hin zur letzten Gabel in der Küche des Bürgerhauses ermittelt und bewertet werden. Zur Zeit wird das erfasste Vermögen bewertet, damit gesicherte Daten für die Eröffnungsbilanz der Haushalte 2008 vorliegen. Mitte des Jahres, schätzt der zuständige Sachbearbeiter im Finanzressort, Otmar Coura, soll diese Arbeit abgeschlossen sein. Erste Erfahrungen mit der Doppik hat die VG Trier-Land in der Pilotgemeinde Franzenheim gemacht. Obwohl dieser 300-Einwohner-Ort noch einer der überschaubarsten im Verbandsbereich ist, mussten hier unter anderem 112 Wirtschaftswege und 40 Grabstellen vermessen und bewertet werden. "Dabei muss alles einfließen, was an Informationen greifbar ist", sagt Coura. "Zustand des Objekts, Länge, Breite, Restnutzungsdauer, Umbauten, Fördergelder, und, und, und." "Wir müssen das Beste daraus machen, klagen hilft uns nicht", gibt Bürgermeister Reiland die Parole aus. Es helfe auch nicht, sich den Haushalt durch eine hohe Bewertung schön zu rechnen, meint der Verwaltungschef. "Das kommt auf der Abschreibungsseite wie ein Bumerang auf uns zurück." Die Eröffnungsbilanz für Franzenheim hat ergeben, dass der Ort über 1,3 Millionen Euro Eigenkapital und zwei Millionen Euro Bilanzsumme verfügt. Franzenheim ohne Schulden

Die Eigenkapitalquote beträgt 61 Prozent, die Fremdkapitalquote null Prozent, was im Klartext heißt: Franzenheim hat keine Schulden. Mit diesen Zahlen könnte sich jedes private Unternehmen schmücken, nicht aber die Gemeinde. Selbst das finanziell gut gestellte Franzenheim wird 2008 und voraussichtlich auch in den Folgejahren seinen Haushalt nicht mehr ausgleichen können, weil die Einnahmen nicht ausreichen, um die Abschreibungen zu erwirtschaften. Das weiß auch Ortsbürgermeister Johann Jäckels, der sich als gelernter Großhandelskaufmann mit der Buchführung gut auskennt. "Im Ergebnishaushalt ist ein Ausgleich unmöglich, im Finanzhaushalt werden wir es wohl schaffen." Jäckels hat ein gespaltenes Verhältnis zur Doppik. Für einen "Minimalhaushalt" wie den seiner Gemeinde hält er die Doppik für zu aufwändig; gut findet er jedoch, dass "den Gemeinden und Räten vor Augen geführt wird, kaufmännischer zu denken und zum Schutz kommender Generationen nicht so verschwenderisch mit den Ressourcen umzugehen". Trier-Lands Verwaltungschef Reiland ist optimistisch, dass die Doppik dank der guten Zusammenarbeit mit den Ortsgemeinden gestemmt werden kann. Auch Johann Jäckels ist zuversichtlich, denn für ihn gilt auch auf diesem Feld die Devise: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird."

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