Geplante Windräder: Allein gegen die Giganten

Trierweiler · Zwei Investoren dürfen auf dem Hungerberg wesentlich höhere Windräder bauen als derzeit in Betrieb sind. Die Genehmigung der Kreisverwaltung liegt vor. Anwohnerin Helma Diewald zieht vor Gericht, um das zu verhindern.

Trierweiler. Helma Diewald (56) kämpft schon seit Jahren gegen neue Windräder auf dem Hungerberg, einer Anhöhe zwischen Udelfangen und Trierweiler.
Sie wohnt im Baugebiet Hüttenberg und sieht aus ihrem Wohnzimmerfenster auf drei bis zu 100 Meter hohe Windräder. Diese sind jedoch geradezu Miniaturausgaben im Vergleich zu jenen Anlagen, die sich demnächst auf dem Hungerberg drehen sollen und teilweise schon im Bau sind.
Was planen die Windkraftbetreiber? Die Firma Windstrom Trierweiler GbR hat vom Kreis die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von drei Windmühlen erhalten; zwei sind 180 Meter hoch, eine 150 Meter. Alle sind vom Hersteller Enercon. Zwei Anlagen älteren Baujahrs werden abgebaut. Ebenfalls genehmigt, auch hier im sogenannten einfachen Verfahren ohne Offenlage (siehe Extra), sind zwei 150 Meter hohe Enercon-Windräder der Firma Epuron (Hamburg).
Warum wurde der alte Bebauungsplan aufgehoben? Gegen die drei Genehmigungen für die Firma Windstrom mit Investor Herbert Kluth (Trierweiler) hat Helma Diewald Widerspruch eingelegt. Eigentlich hat ein Widerspruch bauaufschiebende Wirkung, aber die Kreisverwaltung hat auf Antrag der Betreiber dem "sofortigen Vollzug" zugestimmt. Wie Winfried Esch von der Kreisverwaltung mitteilt, wurde dieser aus wirtschaftlichen Gründen angeordnet - sonst müssten die Investoren möglicherweise noch Jahre warten. Die Kehrseite: Sie bauen auf eigenes Risiko, falls das Projekt gerichtlich gestoppt oder der Betrieb eingeschränkt wird.
Klägerin Helma Diewald wird vertreten von Rechtsanwalt Thomas Mock (Königswinter), der die 56-Jährige auch schon bei ihren Einwänden gegen die Aufhebung des alten Bebauungsplans beraten hat. Dieser beinhaltete noch eine Höhenbegrenzung der Windräder auf 100 Meter. Weil der Gemeinderat der Auffassung war, der alte Plan halte einer gerichtlichen Prüfung nicht stand und könne von potenziellen Windkraft-Investoren zum Nachteil der Gemeinde "zerpflückt" werden (der Hungerberg ist Vorranggebiet für Windkraft), stimmte er einhellig einer Aufhebung zu.
Welche Einwände werden vorgebracht? Helma Diewald war zwar die Einzige, die Einwände vorbrachte, aber sie deckte mit zehn Oberpunkten das ganze Spektrum möglicher Vereitelungsgründe ab. So monierte sie Verfahrensfehler bei Rat und Verwaltung, hielt das Rechtsgutachten, auf das sich die Gemeinde stützte, für fehlerhaft, bemängelte nicht eingehaltene Fristen und andere Versäumnisse.
Der Hüttenberg, so lautet einer der gravierendsten Vorwürfe, sei vom reinen Wohngebiet zum allgemeinen Wohngebiet abgestuft worden, damit die Anlagen nachts die zulässigen Lärmschutzwerte erreichen können. Begründet worden sei die Abstufung mit gewerblicher Nutzung, so Diewald. Unter anderem werde ein Rechtsanwalt, ein Fotograf, ein Architekturbüro und ein Holzbauunternehmen genannt. "Das ist an den Haaren herbeigezogen. Ein Holzbauunternehmen gibt es hier nicht, das ist definitiv ein reines Wohngebiet", sagt Diewald.
Dem will sie auch mit Unterschriften Nachdruck verleihen, die sie derzeit in der Nachbarschaft sammelt. Darin wird auch gegen die geplante Aufhebung eines Kinderspielplatzes Stellung bezogen, der zu Bauland werden soll.
Der Spielplatz werde nicht mehr angenommen, sagt Ortsbürgermeister Matthias Daleiden, am Wingertsberg gebe es ja noch eine Alternative für Kinder in der Nähe. Beim Hüttenberg sei er bisher davon ausgegangen, dass es sich um ein reines Wohngebiet handele, so Daleiden. "Da könnten sich die Geister scheiden", meint er zu möglichen anders lautenden Einschätzungen der Windkraftbetreiber.
Ist die Bevölkerung jetzt pro Windkraft? Was ist aus dem einstigen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung geworden? In Udelfangen und Fusenich hatte sich rund 80 Prozent der Bevölkerung mit Unterschriften gegen Mega-Windräder ("Repowering") auf dem Hungerberg ausgesprochen. "Der Protest ist in Resignation umgeschlagen", sagt Udelfangens Ortsvorsteher Matthias Burg. Was könne schon das kleine Udelfangen gegen die allgemeine Pro-Windkraft-Stimmung ausrichten. Außerdem habe der Gemeinderat Trierweiler einhellig für die Aufhebung des alten Bebauungsplans gestimmt. Burg: "Wir waren im Ortsbeirat einstimmig gegen die Aufhebung, aber das hat ja offensichtlich niemanden interessiert. Nun sollen halt die Gerichte entscheiden."
Meinung

Hungerberg ist bald überall
Helma Diewald bleibt auch nach der Atomkatastrophe von Fukushima und der Energiewende in Deutschland ihrer Linie treu: Soll die Allgemeinheit unter den Auswirkungen von riesigen Windrädern leiden, nur damit einige wenige den Profit einstreichen können? Nun werden sich die Gerichte mit der Gemengenlage am Hungerberg befassen. Der Normalbürger kann ja auch kaum mehr den Überblick behalten. Die Verfahren sind äußerst kompliziert, wahrscheinlich haben viele Anwohner auch das Hickhack um die Windräder satt. Sie sind hin und hergerissen zwischen der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit, den wegfallenden Atomstrom durch erneuerbare Energien zu kompensieren, und den negativen Begleiterscheinungen, die die Mega-Mühlen für ihr Leben bedeuten. Wenn die Dinger erst mal stehen, wird man die Folgen besser einschätzen können. Der politisch gewollte Windkraft-Boom wird in anderen Regionen ähnliche Diskussionen wie in Trierweiler entfachen. Viele werden sich noch wundern, was sie da vor die Nase gesetzt bekommen. Der Hunger auf die renditeträchtigen Windräder ist groß, nicht nur am Hungerberg. a.follmann@volksfreund.deExtra

Bei der Beantragung von weniger als 20 Windkraftanlagen genüge in der Regel ein vereinfachtes Verfahren zur Erlangung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, sagt Winfried Esch von der Kreisverwaltung. Es sei ausreichend, die Fachbehörden (etwa 20 an der Zahl) zu ihrer Einschätzung zu befragen. Eine Offenlegung der Pläne mit Beteiligung der Bürger - wie dies etwa bei der Aufhebung des alten Bebauungsplans "Windkraft Hungerberg" unter Federführung der Verbandsgemeinde Trier-Land der Fall war - sei nicht erforderlich. Nichtsdestotrotz könne weiter Widerspruch gegen die Genehmigung eingelegt werden, so Esch. Weil Windkraftgegnerin Helma Diewald als potenzielle Klägerin einzustufen gewesen sei, habe man ihr die Unterlagen zugestellt. Das beschränkt laut Esch jedoch die Widerspruchsfrist auf vier Wochen. Wie geht es weiter? Zunächst befasse sich der Kreisrechtsausschuss mit dem Widerspruch, dann das Verwaltungsgericht Trier. alf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort