Auf einer Wolke nach New York fliegen

Schüler der sechsten Klasse des Trierer Friedrich-Spee-Gymnasiums führen das Märchen "Die Häuser auf der Wolke" des 1970 verstorbenen Autors Stefan Andres auf. Im Publikum: Seine Tochter.

 Schüler des FSG führen das Märchen „Die Häuser auf der Wolken“ von Stefan Andres auf. Seine Tochter Irene Röhrscheid-Andres (letzte Reihe) sieht sich das Stück an. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Schüler des FSG führen das Märchen „Die Häuser auf der Wolken“ von Stefan Andres auf. Seine Tochter Irene Röhrscheid-Andres (letzte Reihe) sieht sich das Stück an. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Schweich/Trier. (sys) Die Kinder kennen sie nur als kleines Mädchen aus dem Märchen "Die Häuser auf der Wolke". Dann sitzt sie da, fast 70-jährig im Publikum — und die Kinder spielen für sie das Märchen, das ihr Vater ihr Weihnachten 1945 geschenkt hat. Es ist ein großes Ereignis für die Schüler der sechsten Klasse des Friedrich-Spee-Gymnasiums, vor Irene Maria Röhrscheid-An dres auf der Bühne zu stehen.

Mit ihrer Lehrerin Alexandra Max, Vorstandsmitglied der Stefan Andres-Gesellschaft, haben sie das Märchen des einst in Schweich lebenden Dichters im Deutschunterricht gelesen und zum Theaterstück umgeschrieben. Im Kunstunterricht haben sie die Kulissen gebaut und die Kostüme entworfen. Am vergangenen Samstag feierten sie im Niederprümer Hof vor der Stefan-Andres-Gesellschaft, die sich dort zu ihrer Jahreshauptversammlung getroffen hatte, Premiere.

In der Aufführung spielen die Schüler Häuser. Michael Hißen ist der Glockenturm, Dominik Schneider der Dom, Max Schuh ein weiteres Haus, und Kimberley Klemens übernimmt die Rolle des Wohnhauses der Familie Andres. Sie leben in der kleinen Stadt Positano an der italienischen Amalfi-Küste, wohin der Autor nach der Machtübernahme durch Hitler ins Exil gegangen war. Dort erfüllt sich ein Wunsch seiner beiden Töchter: Mit ihrem Haus, dem Dom und dem Glockenturm fliegen sie auf einer Wolke für einen Tag nach New York. Fast droht die Reise jäh zu enden, denn "Windputen" kontrollieren den Luftraum. Nur wer gute Träume hat, darf passieren. Dank der Andres-Töchter bekommen Positanos Häuser die amerikanischen Wolkenkratzer tatsächlich zu sehen.

Irene Maria Röhrscheid-An dres, die aus der ersten Reihe das Stück verfolgt, strahlt. "Das habt ihr großartig gemacht", bedankt sich die in Kelkheim bei Frankfurt lebende Goldschmiedin. Zum Dank verteilt sie selbst gebackene Lebkuchen in Form der Märchen-Figuren. Die Darsteller greifen zu und überhäufen die Tochter des Autors mit Fragen über ihr Leben.

Auch für die Stefan-Andres-Gesellschaft hat sich mit dieser Begegnung ein Wunsch erfüllt: Junge Menschen für Stefan An dres zu interessieren, der seit den 70er Jahren immer mehr in Vergessenheit gerät. Die Mitglieder haben daher bei ihrem Treffen ihr Ziel unterstrichen, junge Leser für Andres gewinnen zu wollen. Zu dem Zweck entwickeln sie ein Heft mit Anekdoten und Parabeln, die der Autor gegen das nationalsozialistische Regime richtete und zwischen 1933 und 1945 an der Zensur vorbei in Tageszeitungen veröffentlichte. Diese teilweise erst kürzlich entdeckten Texte sollen für Schulen didaktisch aufbereitet werden, sagt der erste Vorsitzende Wolfgang Keil.

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