Baubestand nun in Richterhand

Trier/Waldrach · Der Waldracher Streit um den Umbau einer ehemaligen Schreinerei beschäftigt inzwischen das Trierer Verwaltungsgericht. Die Bauherren hatten zunächst den amtlichen Segen. Doch dann wurde ein Baustopp verfügt, weil es sich nach Ansicht der Behörden um einen Neubau handeln soll.

 Wenn Justitia sich wegen der Nähe zur Ruwer gegen den Bau entscheidet, könnte es passieren, dass er verschwindet. TV-Foto: Friedhelm Knopp

Wenn Justitia sich wegen der Nähe zur Ruwer gegen den Bau entscheidet, könnte es passieren, dass er verschwindet. TV-Foto: Friedhelm Knopp

Foto: Friedhelm Knopp (f.k.) ("TV-Upload Knopp"

Trier/Waldrach. Als Alexandra und Markus Neisius 2014 das Anwesen an der Hermeskeiler Straße erwarben, um es für Wohnzwecke umzunutzen, schien die Welt noch in Ordnung: Ein alter Gewerbebau, idyllisch in Nachbarschaft der Ruwer gelegen und wie geschaffen zum Umbau in ein Wohnhaus. Sowohl die Ortsgemeinde als auch die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord als obere Wasserbehörde stimmten dem ersten Bauantrag zur Nutzungsänderung zu, und die Kreisverwaltung erteilte ihre Baugenehmigung.
Neue Dachkonstruktion


Doch dann folgte der Schock bei der Dachreparatur, als der Zimmermann abwinken musste. Die alte Dachkonstruktion war nicht mehr tragfähig, die Stabilität der Zwischendecke zweifelhaft. Also entschied man sich für eine komplett neue Dachkonstruktion. Dagegen intervenierte wiederum der Ortsbeigeordnete Reinhard Lichtenthal. Der befand, dass dort nun ein Neubau entstehe, den die Gemeinde nicht genehmigt habe, und bewirkte beim Kreis im November 2014 einen Baustopp. Ein nachgereichter Änderungsantrag der Bauherren wurde abgelehnt.
Seitdem steht an der Hermeskeiler Straße das unvollendete Werk, von den Bauherren geziert mit einem riesigen Schmäh-Transparent gegen die Ortsgemeinde und ihren Beigeordneten (der TV berichtete). Am 10. Juni wollten die Kontrahenten vor dem Trierer Verwaltungsgericht die Frage "Neubau oder genehmigungsfähiger Ausbau im Bestand" klären. Doch die Verhandlung wurde abgesagt.
Stattdessen traf Ehepaar Neisius mit seinem Andernacher Fachanwalt Curt Jeromin dieser Tage im Verwaltungsgericht Trier auf drei Vertreter der SGD Nord, die als obere Wasserbehörde mitzureden hat: Aus Koblenz angereist war Martina Schwaderlapp. Die Trierer SGD-Außenstelle vertraten Werner Lettmann und Herbert Minn. Beigeordneter Lichtenthal und Architekt Michael Leonhardt verfolgten das Geschehen als Zuschauer. Verhandelt wurde um eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung. Die Kernfrage: Handelt es sich noch um einen Altbau mit Bestandsschutz im Ruwer-Hochwasserbereich oder um einen Neubau, der den Wasserabfluss im Hochwasserfall beeinträchtigt? Die Aussprache unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Heribert Kröger war sachlich, aber hart. Das Gebäude sei in seiner Grundsubstanz zu rund 80 Prozent verändert worden und damit ein Neubau, der im Hochwasserbereich nicht genehmigt werden könne, argumentierte die SGD-Seite. "Für den Hochwasserschutz verändert sich doch gar nichts. Der Bau ist in seinen Basismaßen nie verändert worden und entspricht eins zu eins dem früheren Zustand", konterte Anwalt Jeromin und hakte nach, wie es mit einem viel größeren Neubau im Waldracher Hochwasserbereich gelaufen sei. Gemeint war der vor einigen Jahren eröffnete neue Wasgau-Markt im Hochwasserbereich am Waldracher Ortsrand. Jeromin forderte Einsicht in die Akten des Wasgau-Genehmigungsverfahrens, was ihm vom Gericht zugesagt wurde. Der Anwalt: "Es kann nicht sein, dass ein mächtiges Unternehmen in Waldrach anders behandelt wird als private Bauherren."
Schließlich folgte als Schlichtungsversuch das Angebot von Bauherr Neisius, Hochwasserausgleichsflächen zu schaffen. Doch nach längerer gemeinsamer Beratung außerhalb des Saals, zu der auch Architekt Leonardt hinzugezogen wurde, sah die SGD-Abordnung diese Möglichkeit nicht - sie beharrte auf ihrem Standpunkt.
Am Ende beantragte Anwalt Curt Jeromin die Feststellung, dass die frühere wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung auch für den nachgereichten Bauantrag Bestand haben solle. Das Verwaltungsgericht will die Entscheidung innerhalb der nächsten 14 Tage bekanntgeben.
Extra

Der Bestandsschutz schützt vorhandene Gebäude vor aktuellen Änderungen des Baurechts. Im Fall von Waldrach bedeutet dies: Nach heutigem Baurecht hätte die Schreinerei im Hochwasserbereich der Ruwer keine Aussichten auf eine Baugenehmigung. Bei ihrer Errichtung gab es diese Vorschrift jedoch noch nicht - dennoch bleibt die einmal erteilte Baugenehmigung trotz der heutigen Gesetzgebung gültig (Bestandschutz). Dies ändert sich, sobald der betreffende Bau abgerissen wird, um an seiner Stelle einen Neubau zu errichten. In dem Fall erlischt der Bestandsschutz. Dies kann aber auch bei einer weitgehenden Umgestaltung des Gebäudes der Fall sein, wenn dabei die alte Bausubstanz so weit verändert wird, dass tatsächlich ein Neubau entsteht. Um diese Frage wird im Waldracher Fall gestritten. f.k.

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