Besser als ihr Ruf

ZEMMER. (ae) Am 1. April tritt die erste Stufe der Gesundheitsreform in Kraft, doch nach einer Forsa-Umfrage verstehen 79 Prozent der Bundesbürger nicht, was die Regierung eigentlich vorhat. Licht ins Dunkel brachte beim politischen Aschermittwoch der SPD Zemmer ein Vortrag von Gerald Gaß, Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium Mainz.

Drei Gesundheitsreformen habe er schon mitgemacht - als Mitarbeiter der SPD-Ländervertretung hatte er an der geschlossenen Berliner Verhandlungsrunde teilgenommen - doch die jetzige sei die anstrengendste gewesen, sagte Gerald Gaß beim politischen Aschermittwoch der SPD Zemmer. Seine etwa 60 interessierten Zuhörer im voll besetzten Saal des Gasthauses Denis nickten zustimmend, als er fortfuhr, die Politik habe kein gutes Bild abgegeben. "Doch der Kompromiss ist besser, als das, was man in den Medien erfährt." Es sei sicher kein Jahrzehntewerk - Fragen wie Bürgerversicherung oder Einstieg in zusätzliche Steuerfinanzierung blieben noch zu klären - weise aber mit sozialer Ausgewogenheit und der Stärkung des Solidargedankens in die Zukunft. Sinkende Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei gleichzeitig steigenden Ausgaben seien Anlass der Reform gewesen. Viele positiven Neuerungen sind bisher untergegangen

Ihre Ziele: Versicherungsschutz für alle, Zugang zu medizinischem Fortschritt unabhängig von individueller Leistungsfähigkeit, mehr Wahlmöglichkeiten für Versicherte, fairer Wettbewerb der Kassen, Wettbewerb im System der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Reform der Finanzierungsgrundlagen der GKV. Letzteres sei am wenigsten weit gediehen. Doch es gebe Neuerungen, die in der öffentlich, hauptsächlich um den Gesundheitsfond geführten Diskussion untergegangen seien und deutlich machten, dass man es zum ersten Mal nicht mit einer Reform auf Kosten von Leistungskürzungen zu tun habe: So öffnen sich Krankenhäuser künftig für hoch spezialisierte ambulante Behandlung, damit beispielsweise Krebspatienten besser versorgt werden. Ambulante Palliativversorgung wird ausgebaut, um alten und schwerkranken Menschen so lange wie möglich ein würdevolles Dasein im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Ferner gibt es auch für ältere Menschen einen Rechtsanspruch auf Rehabilitation. Impfungen und Kuren sind nun Pflichtleistungen, die Budget-Deckelung bei Ärzten fällt weg, Honoraranreize sollen ärztliche Unterversorgung bestimmter Gebiete ausgleichen. Weitere Beschlüsse sehen eine bessere Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln oder eine Einholung einer Zweitmeinung bei neuartigen Behandlungsmethoden und Arzneimitteln vor. Die Versicherten sollen mit auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Tarifen künftig mehr Wahlmöglichkeiten haben, auch in der PKV. Sie muss in einen neuen Basistarif mit nach oben begrenztem Beitrag auch Menschen mit Vorerkrankungen aufnehmen.Skepsis bleibt dennoch bestehen

Einige Zuhörer, darunter auch die jüngsten, zwei 16- und 17-jährige Männer, äußerten, ihnen erschiene die Reform nun in einem sehr viel positiveren Licht als bisher. Dennoch gab es Skepsis und kritische Fragen, etwa ob die aktuellen Beitragserhöhungen zur Entschuldung der Kassen dauerhaft blieben. Gaß wies auf später einheitliche und voraussichtlich sinkende Beiträge aller Kassen hin. Falls Kassen schlecht wirtschafteten und Zusatzbeiträge erhöben, könne man ja wechseln. Sorgen bezüglich eines neuen Tarifdschungels begegnete der Referent mit dem Hinweis auf eine sorgfältige Prüfung durch Genehmigungsbehörden und ein erweitertes Beratungsangebot der Verbraucherzentralen. Ob die Mittel aus dem Gesundheitsfond für Kassen mit vielen Kranken reichten, beantwortete Gaß mit der Verpflichtung der Kassen zu sorgfältigem Wirtschaften angesichts neuer verschärfter Wettbewerbsbedingungen. Offen blieb nur die Frage nach niedrigeren Beiträgen bei gesundheitsbewusstem Leben: "Da gibt es kein praktikables Verfahren". Detaillierte Informationen und Antworten auf wichtige Fragen zur Gesundheitsreform gibt die Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums: www.die-gesundheitsreform.de

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