Das Aus nach vier Generationen

In der Ruwergemeinde Kasel endet in Kürze eine Ära: Sabine Neumann muss ihr Lebensmittelgeschäft an der Hauptstraße schließen. Innerhalb von zwei Jahren hatte sich der Umsatz drastisch verschlechtert.

Kasel. Erst wenige Jahre ist es her, dass der TV über das Geschäft berichtete. „Lebensmittel Neumann: Ein Teil der Ortsgeschichte und immer noch geschätzt als Versorgungspunkt“ hieß es am 9. März 2004 in dem TV-Artikel. Damals zählte Kasel zu den wenigen Dörfern der Region, die im Ortskern noch mit einem Geschäft mit Vollsortiment und Fleischtheke aufwarten können. Inhaberin Sabine Neumann, die das Geschäft 1997 in vierter Generation von ihren Eltern übernommen hatte, war noch voller Zuversicht – auch wenn ihr der neue Großmarkt am Rande von Waldrach damals schon Kummer bereitete.

Die einstige Zuversicht jedoch ist dahin. Das Geschäft trägt sich nicht mehr. Nun läuft der Totalausverkauf zu stark reduzierten Preisen, denn am 29. September will die Kauffrau die Ladentür für immer schließen. „In den letzten zwei Jahren hat sich die Situation drastisch verschlechtert“, sagt sie und schaut über die zum Teil schon ausgeräumten Regale. Es ist kurz vor elf Uhr – beste Einkaufszeit. Doch innerhalb der nächsten halben Stunde tauchen nur zwei Zufallskunden auf und kaufen jeweils eine Limo und Zigarettenblättchen.
Die alte Stammkundschaft sterbe ihr förmlich weg, und ein neuer Kundenstamm wachse nicht nach, bedauert Sabine Neumann. Das sei ein schleichender aber nachhaltiger Prozess – zumal die Jüngeren durchwegs motorisiert seien und am liebsten „mit dem Auto bis an die Kasse fahren“. Da stimme es einen traurig, wenn man „nur das Päckchen Butter verkaufen darf, das zuvor beim Discounter in Trier vergessen wurde“. Außerdem werde den Leuten suggeriert, dass im Supermarkt auf der grünen Wiese grundsätzlich alles billiger sei.

Auf ihre Großlieferanten, die selber Supermärkte „auf der grünen Wiese“ betreiben, ist die Kauffrau daher nicht gut zu sprechen. „Auch ein kleines Unternehmen muss gewinnbringend arbeiten“, sagt sie. Das aber sei sehr schwer geworden – nicht nur durch das Kaufverhalten der Kunden, sondern auch wegen der Art und Weise, wie die Zulieferfirmen mit den kleinen Geschäftspartnern umgingen. Neumann: „Es wird selbstständigen Einzelhändlern fast unmöglich gemacht, wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei sind die Großlieferanten erst durch die kleinen Händler zu dem geworden, was sie heute sind.“
Dass ihre Geschäftsschließung inzwischen auch Thema im Ortsgemeinderat war, tröstet Sabine Neumann nicht. Neumann: „Ich selbst bin nicht einmal gefragt worden. Nun aber möchte man über den Erhalt der Grundversorgung diskutieren.“ Dies sei zwar gut so, aber jeder im Rat möge einmal in sich hineinhorchen und fragen, was er persönlich zum Erhalt dieses Geschäftes beigetragen habe, sagt die 44-Jährige. Sie wird demnächst auf Stellensuche gehen.
STIMMEN

Die Schließung des Geschäfts, das in Kasel nach der Gründerin traditionell "Meilens" genannt wird, hinterlässt bei den Stammkunden Ratlosigkeit. Der TV sprach mit drei Kaselerinnen.

Leni Wölms: "Das macht einen traurig. In der Seele tut es mir weh. Ein Leben lang bin ich bei Meilens einkaufen gegangen. Hier konnte man auch immer Leute treffen und sich unterhalten oder auch mal beraten lassen. Wo soll ich denn nun hin, zumal ich nicht mehr laufen kann? Ich habe kein Auto, um mich in Waldrach zu versorgen."

Violetta Niemas: "Ich wohne hier gleich in der Nachbarschaft und gehöre zu den Stammkundinnen. Dass alles nun vorbei sein soll, ist sehr traurig. Auch die Beratung wird mir fehlen - etwa Tipps fürs Mittagessen. Außerdem hat man hier immer Leute aus dem Dorf getroffen, um sich auszutauschen. Da gab es gute und schlechte Nachrichten."

Maria Molitor: "Uns Rentnern ohne Auto tut die Schließung sehr leid. Aber was will man dagegen machen? Vor ein paar Jahren haben wir noch gedacht, die Sabine Neumann macht weiter bis ins Rentenalter. Doch das war leider nicht möglich."

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