Das Sanierungsprojekt Alt-Schweich: Fehler vermeiden, Charakter erhalten

Schweich/Föhren · In Alt-Schweich sollen Fehlentwicklungen vermieden werden. Besonders ein Problem ist im Wohnviertel allgegenwärtig.

Alt-Schweich sei ein liebenswertes Wohngebiet, das aber auch Mängel aufweise. So brachte es Planer Gerald Pfaff vom Stadtentwicklungsbüro "Stadt-Land-plus" aus Boppard auf den Punkt. Er informierte kürzlich im Schweicher Stadtrat über den Sachstand des Sanierungsprojekts Alt-Schweich. Der Stadtrat beauftragte das Büro, eine städtebauliche Studie für den Bereich von Alt-Schweich zu erstellen.

Wie mehrfach berichtet, soll die Keimzelle der Moselstadt überplant werden. Grob gesagt handelt es sich um das Gebiet zwischen Autobahn und Brückenstraße. Dort leben 1327 Menschen, das entspricht etwa 17 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Es gibt im Wesentlichen zwei Ziele: Einerseits möchte die Stadt Schweich Fehlentwicklungen wie eine zu große bauliche Verdichtung durch massive Wohnblöcke verhindern. Andererseits möchte sie den urigen Charakter von Alt-Schweich mit seinen Höfen, Nutzgärten und alten Bauernhäusern erhalten.

Da Alt-Schweich zusammen mit dem Nachbarort Föhren ins Förderprogramm "Ländliche Zentren" (siehe Info) aufgenommen wurde, können öffentliche und private Sanierungsvorhaben bezuschusst werden - vorausgesetzt, noch festzulegende Richtlinien werden erfüllt. Das Fördergebiet in Schweich ist 17,5 Hektar groß, Föhren geht mit etwa fünf Hektar (dem Umfeld des ehemaligen Klosters) in Rennen.

Großer Modernisierungsbedarf: Bis es ans Eingemachte geht, also beispielsweise förderfähige Gebäude festgelegt werden, dauert es nach Auskunft von Planer Pfaff noch ein gutes halbes Jahr. Er rät Bewohnern, die Sanierungspläne haben, zu warten, bis die Richtlinien für eine Modernisierung feststehen und ein Bebauungsplan vom Stadtrat als Satzung beschlossen wurde. Vorher begonnene Projekte seien nicht förderfähig, so Pfaff. Eine Bestandsaufnahme habe ergeben, dass von den mehr als 400 Gebäuden in Alt-Schweich 39 erhebliche Mängel aufwiesen. Diese seien dringend renovierungsbedürftig. Bei 150 Häusern gebe es einen Modernisierungsbedarf, bei 153 einen Instandsetzungsbedarf. 67 Hauptgebäude sind laut Pfaff in einem guten Zustand.

Potenzial für neue Wohnungen: Das Büro Stadt-Land-plus hat sich nicht nur die Gebäudesubstanz angeschaut, auch Parameter wie Lage, Größe, Nutzung, Verkehr, Bebaubarkeit und Flächenverfügbarkeit haben eine Rolle gespielt. Potenzial für eine bauliche Innenentwicklung sieht Pfaff beispielsweise im Bereich Im Brückengarten und Im Unterecken. Ziel sei es, grundsätzliche bauliche und gestalterische Standards (Material, Farben, Dachneigung, Begrünung) zu entwickeln, damit Alt-Schweich "geordnet" wächst.

Um dieses Ziel zu erreichen, kann der Stadtrat entweder einzelne Bebauungspläne über Alt-Schweich legen - solche existieren bereits für Brückenstraße, Synagoge, Pöhlengärten und Im Flürchen -, oder er kann das Gesamtgebiet von Alt-Schweich überplanen lassen. Die CDU-Fraktion hat sich bereits für die große Lösung ausgesprochen.

Das sagen die Bewohner: Lydia Ludwig aus der Bahnhofstraße bedauert, dass es in Alt-Schweich keine Einkaufsmöglichkeiten mehr gibt. Vor allem ältere Bewohner müssten bis ins Brunnenzentrum oder den Ermesgraben gehen. Peter Farsch, der in der Raiffeisenstraße wohnt, aber aus Alt-Schweich stammt, mag das Viertel rund um "Pömpelchen" (Zellenpfützstraße) und "Hölle" (Sommergasse): "Hier gibt es ruhige Ecken mit wenig Verkehr, dennoch ist man nahe am Zentrum." Gleich mehrere vom TV befragte Bürger beklagen die schlechten Parkmöglichkeiten in Alt-Schweich. Das liege auch daran, so eine Anwohnerin, dass die beim Bau neuer Wohnungen nachzuweisenden Einstellplätze für Autos anderswo liegen, die Fahrzeuge dann aber doch nah am Haus abgestellt würden.

Mit dem Parken hatte am Freitagmorgen auch eine elfköpfige Wandergruppe aus Koblenz ihre liebe Müh' und Not. Sie war mit einigen Autos angereist, um über den Moselsteig von Schweich nach Trier zu wandern. Rund um Hofgarten- und Kirchstraße war lediglich ein freier Parkplatz zu ergattern - vor der alten Schule.

Info

Förderprogramm Ländliche Zentren

Das Förderprogramm Ländliche Zentren hat das Ziel, dem demografischen Wandel und dem Ausbluten der Dorfkerne entgegenzuwirken. Der Kooperationsverbund, der sich um eine Förderung bewirbt, muss aus zwei oder drei Gemeinden bestehen, wobei eine Gemeinde ein Grundzentrum mit städtischem Gepräge sein muss (Schweich).

Weitere Bedingungen: Jede teilnehmende Gemeinde muss mindestens 1000 Einwohner haben und über überörtliche Versorgungsfunktionen verfügen, was bei Föhren der Fall ist. Die Regelfördersätze liegen in der Regel bei zwei Drittel der zuwendungsfähigen Kosten.
Kommentar

Rettet Alt-Schweich!

Wo kann Otto Normalverdiener in Schweich eigentlich noch Wohneigentum erwerben? Sicherlich nicht im Ermesgraben bei Quadratmeterpreisen von 400 Euro und mehr. Und auch alte Häuser sind für viele junge Familien mittlerweile unerschwinglich geworden. Sie werden zu Höchstpreisen gehandelt. Wer unbedingt in Schweich bleiben möchte - das ist ja wegen der guten Infrastruktur und dem hohen Freizeitwert gut nachvollziehbar - für den ist die Eigentumswohnung eine Alternative. Die Nachfrage ist offenbar hoch, denn die großen Wohnblöcke schießen in Schweich nur so aus dem Boden - auch in Alt-Schweich.

Wenn hier nicht ordnend eingegriffen wird, leiden Stadtbild und Wohnqualität. Es geht nicht darum, Wohnraum zu verhindern, sondern ihn da zu schaffen, wo er hinpasst. Nicht nur aus optischen Gründen, sondern auch, um das Sozialgefüge im Gleichgewicht zu halten. Das geht nicht ohne allgemein verbindliche Regeln.

Die Stadt tut gut daran, wenn sie dem einreißenden baulichen Wildwuchs durch einen umfassenden Bebauungsplan für Alt-Schweich Einhalt gebietet und sich auf die Entwicklung und den Schutz des Bestandes konzentriert. Es wäre jammerschade, wenn beispielsweise der historische Stadtkern seinen lebens- und liebenswerten Charakter verlieren würde. Rettet Alt-Schweich!
a.follmann@volksfreund.de

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