Der Landrat, der ein Schwein "Hitler" taufte

Trier · Neben dem aktuellen Kreisgeschehen spielen in den Kreisjahrbüchern historische Beiträge eine wichtige Rolle. In der druckfrischen Ausgabe 2016 steht die Zeit vor 200 Jahren im Fokus. Das ist kein Zufall: Vor zwei Jahrhunderten wurden die Grenzen im Trierer Land als Folge der Beschlüsse des Wiener Kongresses neu gezogen - es war die Geburtsstunde der Landkreise.

Der Landrat, der ein Schwein "Hitler" taufte
Foto: (h_tl )

Trier. In neun Beiträgen haben sich Autoren mit dem Thema "200 Jahre Landkreise" auseinandergesetzt, verteilt auf 100 Seiten. Nicht immer eine einfache Kost, zugegeben, aber durchaus schmackhaft und mit überraschenden Details und Anekdoten. So hat der Heimatforscher Dittmar Lauer aus Kell im Artikel über den Trierer Landrat Dr. Karl Pohl beschrieben, wie dieser aufgrund einer Diffamierungskampagne der Nationalsozialisten abgesetzt wurde. Pohl, gebürtig aus Kinheim (Mosel) und bekannt dafür, auch gegenüber der Obrigkeit kein Blatt vor den Mund zu nehmen, hatte im Frühjahr 1933 bei einer Eberkörung vorgeschlagen, ein Schwein "Hitler" zu taufen.
Telegramme an Göring


Der Zentrumspolitiker sah sich daraufhin einem Shitstorm ausgesetzt, wie man heute sagen würde. Die nationalsozialistische Fraktion im Kreistag von Trier-Land verweigerte daraufhin die Zusammenarbeit. In vielen Telegrammen, unter anderem an Innenminister Hermann Göring, verlangten Kreistagsmitglieder und Gemeindevorsteher die Ablösung des damals 60-jährigen Zentrumspolitikers Pohl. Tenor der Schreiben: Er sei marxistenfreundlich und stehe Reformen im Weg. Der Landrat, seit 1920 im Amt und schon gesundheitlich angeschlagen, musste schließlich vor der Hetzkampagne kapitulieren und bat Regierungspräsident Dr. Konrad Saassen um seine Beurlaubung. Zum Nachfolger wurde der NSDAP-Kreisleiter der Stadt Trier, Dr. Nikolaus Simmer, berufen. Pohl verlegte seinen Wohnsitz nach Berlin, wo zwei seiner Töchter lebten. Er starb 1944 im Alter von 71 Jahren; seine letzte Ruhe fand er in seinem Geburtsort Kinheim.
Ein Beitrag von Rudolf Müller widmet sich der Zeit vom Wiederaufbau nach 1945 bis zur Verwaltungsreform 1969, als die Kreise Saarburg und Trier-Land zum heutigen Kreis Trier-Saarburg zusammengelegt wurden. Quasi als Jubiläumsgeschenk zum Kreisgeburtstag erhalten die Leser im neuen Band als Zugabe Reproduktionen historischer Karten der Altkreise aus dem Jahr 1855 (siehe Extra). In einem weiteren Bericht zum Landkreis-Jubiläum veranschaulicht Kreisarchivarin Barbara Weiter-Matysiak den Einfluss, den die Kreisbaumeister auf die Infrastruktur in den Altkreisen genommen haben, Rainer Ludwig betrachtet die "Amtspflichten der ab 1816 bestellten königlich-preußischen Landräte". Landrat Günther Schartz skizziert in einem Interview den Wandel der Kreisbehörde von einer ehemals stark staatlich geprägten Aufsichtsbehörde zum heutigen kommunalen Dienstleister.
Insgesamt haben 30 Autoren 35 Beiträge für das neue Kreisjahrbuch beigesteuert. Die Themenpalette reicht vom aktuellen Kreis- und Verbandsgemeindegeschehen (mit Chroniken!) über die Felder Kunst und Kultur, Geschichte und Volkskunde, Natur- und Umwelt sowie "Menschen unserer Heimat". Erinnert wird etwa an den Historiker Professor Richard Laufner. Der vor einem Jahr im Alter von 98 Jahren verstorbene frühere Leiter der Trie rer Stadtbibliothek und Buchautor war selbst lange Jahre Mitglied der Jahrbuch-Redaktion und eifriger Artikelschreiber.
Das Kreisjahrbuch 2016 ist in den Buchhandlungen in Trier und im Kreis zum Preis von 7,50 Euro erhältlich. Außerdem kann es übers Internet ( <%LINK auto="true" href="http://www.trier-saarburg.de" text="www.trier-saarburg.de" class="more"%> ) bestellt werden.
Extra

 Oben: Gruppenfoto des neuen Kreistages Trier-Saarburg am 11. Juli 1969, dem Tag der konstituierenden Sitzung. Unten: Die Verwaltungsgebäude des Altkreises Trier-Land in Trier (links) und des Altkreises Saarburg in Saarburg (rechts). Das Trierer Haus ist heute Hauptsitz der Kreisverwaltung Trier-Saarburg.Fotos (3): Kreisarchiv

Oben: Gruppenfoto des neuen Kreistages Trier-Saarburg am 11. Juli 1969, dem Tag der konstituierenden Sitzung. Unten: Die Verwaltungsgebäude des Altkreises Trier-Land in Trier (links) und des Altkreises Saarburg in Saarburg (rechts). Das Trierer Haus ist heute Hauptsitz der Kreisverwaltung Trier-Saarburg.Fotos (3): Kreisarchiv

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Der Landrat, der ein Schwein "Hitler" taufte
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Schon unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden auf Bestreben der französischen Besatzungsmacht die Kreisgrenzen geändert. 1946 ist das ehemalige Amt Nonnweiler vom Altkreis Trier abgetrennt und dem saarländischen Landkreis St. Wendel zugeteilt worden. Der Kreis Saarburg verlor 1947 zwanzig Gemeinden im Süden an den saarländischen Landkreis Merzig-Wadern. Verschiebungen gab es auch an der Grenze zwischen Landkreis und Stadt Trier. Zuletzt wurde 1969 die Grenze verändert, indem Trierer Vororte und Landgemeinden (Ehrang-Pfalzel, Zewen-Oberkirch, Tarforst, Filsch, Irsch, Kernscheid, Eitelsbach und Ruwer) dem Stadtgebiet zufielen. Bei einer Volksbefragung in diesen Gemeinden hatten sich am 1. September 1968 mehr als 90 Prozent der Bürger gegen die Eingemeindung nach Trier ausgesprochen. Doch das Bürgervotum blieb ungehört; auch der Gang vor den rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos. alf

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