Durch Saarburg um die halbe Welt

Ob als Kriegsgefangener oder Flüchtling, Gastarbeiter oder Aussiedler - es gibt viele Gründe, seine Heimat zu verlasen. Auf einem Stadtrundgang wird von Menschen berichtet, die nach Saarburg kamen oder von dort auswanderten.

Saarburg. (daj) Als wohlhabender Mann kommt John Reinert im Jahr 1907 aus den USA zu Besuch nach Saarburg. Von hier ist er ein Vierteljahrhundert zuvor ausgewandert, weil er für sich keine wirtschaftliche Perspektive mehr in Deutschland sah.

Seinen Vornamen Johann hat er der englischen Sprache angepasst, ansonsten ist er durch und durch Deutscher geblieben und würde heute als Beispiel für eine gescheiterte Integration gelten. Mit seiner Frau, einer aus Irsch stammenden Kusine, lebt er in einer deutschen Siedlung, die von den Amerikanern Getto genannt wird. Schüler des Gymnasiums Saarburg haben Biografien, wie die des John Reinert, recherchiert. Sie wollen Geschichte durch persönliche Geschichten vermitteln.

Der Stadtrundgang "Hin und weg" begibt sich auf Spurensuche nach Ein- und Auswanderern, die einen Teil ihres Lebens an der Saar verbracht haben. Thomas Zuche vom Jugendmigrationsdienst der Caritas hat die Veranstaltung innerhalb der Interkulturellen Woche organisiert, doch nur ein gutes Dutzend Interessierter folgte der spannenden Entdeckungsreise zu Fuß durch Saarburg - und gleichzeitig um die halbe Welt.

An acht Stationen gibt es vieles aus erster Hand zu erfahren. Auf dem Burgberg, vor dem ehemaligen Durchgangsheim für Spätaussiedler erzählt Elvira Schütz von der Zeit, die sie hier verbrachte, nachdem sie aus Kasachstan in die fremde Heimat ihrer Vorfahren gekommen war. Linh-Huong Benzkirch-Truong, die bis vor einem Jahr ein Café in Saarburg betrieb, berichtet, wie sie aus Vietnam zunächst als Gastarbeiterin in die DDR ging und nach der Wende dauerhaft in Deutschland bleiben konnte.

Heute leben in Saarburg Menschen aus 73 Nationen, 1771 Einwohner haben einen ausländischen Pass. Ein bislang nur wenig aufgearbeitetes Kapitel Saarburger Geschichte ist das der Kriegsgefangenen. So wird auch die Geschichte des Viehhändlers Nathan Meyer erzählt, der nach dem Krieg aus Frankreich zurückkehrte. Thomas Zuche verspricht, den Stadtrundgang in der Zukunft wieder anzubieten. Vielleicht nutzen dann mehr Saarburger als bei der Premiere die Gelegenheit, ihre Stadt aus einem fremden Blickwinkel zu sehen.

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