Erleben, wie sich das Alter anfühlt

Welschbillig · Wie fühlt es sich an, wenn ich mit den Tremor-Simulator-Handschuhen ein Butterbrot schmiere, Treppen mit dem Alterssimulationsanzug steige oder mit dem Rollstuhl in den Blumenladen möchte? All das haben Jugendliche am eigenen Körper bei einer Ortsbegehung der nicht alltäglichen Art in Welschbillig erfahren können.

 Die Jugendliche Simone Steil testet den Alterssimulationsanzug mit Gewichtsweste, Halsmanschette, Brille, Knie- und Handbandagen. TV-Foto: Silke Jessen

Die Jugendliche Simone Steil testet den Alterssimulationsanzug mit Gewichtsweste, Halsmanschette, Brille, Knie- und Handbandagen. TV-Foto: Silke Jessen

Foto: Silke Jessen (sj) ("TV-Upload Jessen"

Welschbillig. "Hilfe, ich sehe nichts", ruft die 15-jährige Sarah Priebe, als sie zum ersten Mal die Brille aufsetzt, mit der sie fast nichts mehr sehen kann, nur am Rand noch ein bisschen. Sie hält sich unsicher an der Kapuze ihrer Freundin, der 17-jährigen Julia Römer, fest. Die ist derweil der 16-jährigen Laura Schneider beim Fahren des Rollstuhls behilflich. Das Trio ist eins von mehreren Teams, die verschiedene Aufgaben im Ort bewältigen sollen: zur Post, zum Bäcker oder zur Volksbank gehen oder ein Rezept bei einem Arzt abholen, ganz alltägliche Dinge eben.
Abenteuer Blumenstraußkauf


Unterwegs treffen die drei jungen Frauen auf den 82-jährigen Welschbilliger Helmut Schröder-Lanz, der mobilitätsbeeinträchtigt ist und an einem Stock geht. Er wundert sich über das ungewöhnliche Trio, und er erfährt von der Mitmachaktion. Er kommentiert sie mit hoffnungsfrohen Worten: "Die ganze Aktion finde ich gut. Die Jugendlichen werden dadurch vielleicht ein bisschen aufgeschlossener und hilfsbereiter."
Auf ihrem Spaziergang werden die Teams von Streckenposten und Angela Wittmann, der tatkräftigen Jugendpflegerin, begleitet. Sie hat die Aufgaben für die Gruppen erarbeitet und sich um die Logistik gekümmert.
In einem anderen Team ist Christian Martin (12). Er ist in der örtlichen Feuerwehr aktiv und soll mit seinem Team einen Blumenstrauß kaufen und zum Friedhof bringen. Dabei erlebt er so manches: Die Eingangstür des Blumenladens kann er gar nicht alleine öffnen, eine freundliche Angestellte kommt ihm zu Hilfe. Die Blumenkübel stehen für seinen breiten Rollstuhl zu eng, so dass sein Begleiter Elias Görgen (15) ihm erst einmal den Weg frei räumen muss. Vor dem Friedhof blockieren parkende Autos den Gehweg. Er muss mühsam auf die andere Straßenseite wechseln, um diesem Hindernis auszuweichen. Am Friedhof schafft er es nicht aus eigener Kraft, die kleine Steigung zu bewältigen: Er rollt rückwärts und stürzt beinahe. "Mann, ist das schwer, so einen Rollstuhl zu fahren! Vom Bremsen brennen mir schon die Finger. Das habe ich mir nicht so schwer vorgestellt", stellt der kräftige Feuerwehrbursche resigniert fest.
Auch Ortsbürgermeister Werner Olk und Markus Böck haben sich auf den Weg gemacht: Ausgerüstet sind sie mit Blindenstöcken und seheinschränkenden Brillen. Letztere imitieren altersbedingte Eintrübungen der Augenlinsen und die Einengung des Gesichtsfeldes. "Das Treppensteigen ist am schwierigsten gewesen", sagt Werner Olk, der auch Schirmherr der Aktion "Blickwechsel - anders unterwegs" ist. Er erzählt: "Ich mache bei diesem Projekt mit, um zu sehen, ob etwas im Ort verbessert werden muss."
Sein Tandempartner Markus Böck ist vom Team des Pflegestützpunktes Welschbillig, das die Aktion unter der Leitung von Stephanie Neukirch-Meyer initiiert hat. Sie findet in Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst, dem Jugendring Trier-Land und der Jugendfeuerwehr Welschbillig statt. Sie ist eines von mehreren Projekten, die landesweit im Rahmen der rheinland-pfälzischen Demografiewoche veranstaltet wurden.
Auch die Jugendlichen des Welschbilliger Projektes können mit dem Wort Demografie etwas anfangen. Sie wissen: Es gibt immer mehr Ältere und immer weniger Jüngere. Hier setzt das Projekt "Blickwechsel - anders unterwegs" an. Die jungen Welschbilliger werden in Mitmachaktionen für die Probleme und Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen und Mobilitätseinschränkungen sensibilisiert. Und spätestens seit der gelungenen Ortsbegehung der nicht alltäglichen Art weiß die Welschbilliger Jugend, wie sich das Alter anfühlt und dass es bestimmt nichts für Feiglinge ist!

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