Freunde für den Winter

Josef Duchene traute seinen Augen nicht, als am 9. Oktober "sein" Rotkehlchen wieder auf der Fensterbank rumhüpfte. Im Vorjahr, am gleichen Tag, war der gefiederte Freund auch zu ihm gekommen, um in Pölich zu überwintern.

Pölich. "Drum Herz vergesse nicht zu danken für diese lichtgetränkte farbenfrohe Zeit, sie hilft dir Kraft und Mut zu tanken, für langer Wintersnächte Einsamkeit", heißt es in einem Gedicht von Josef Duchene. Der 86-Jährige ist ein belesener Mann, der auch gerne mal selbst zum Stift greift. Etwa um seine Gedanken in Versform niederzuschreiben oder um akribisch zu notieren, wann sein gefiederter Freund Tag für Tag zur Futterstelle kommt. "Zum zweiten Mal kam das Rotkehlchen pünktlich am 9. Oktober zu mir. Letztes Jahr blieb es bis März", erzählt der Senior. Dass es jetzt wiederholt am 9. Oktober zu ihm geflogen kam, "ist wohl ein schöner Zufall", meint Josef Duchene. Drei bis fünf Mal am Tag fliegt der Vogel die Fensterbank des Esszimmers an und pickt das Haferflocken-Öl-Gemisch, das der Tierfreund ihm regelmäßig anbietet. "Bei der Gartenarbeit hüpft es oft um mich herum", erzählt der Senior. Sobald es ihn erblicke, tauche es auf. Der Vogel scheint Vertrauen zu seinem Gönner gefasst zu haben. Der Senior darf ihm sehr nahe kommen. Schwieriger ist es, den Vogel zu fotografieren.

Willkommener Farbtupfer an grauen Wintertagen



Bei jedem noch so leisen Surren des Fotoapparats nimmt das Rotkehlchen Reißaus und traut sich erst nach Minuten wieder Meter für Meter an den Fressplatz heran. Dass Josef Duchene bei der Annäherung am Fenster steht, stört es nicht.

"Man braucht viel Geduld, bis die Tiere Vertrauen fassen", meint Josef Duchene. Und geduldig ist der Senior. Gespannt ist er, ob sein kleiner Freund auch im nächsten Jahr wieder am 9. Oktober vorbeischauen wird. Fest hingegen steht: Das Rotkehlchen ist auch in diesem Jahr für den Witwer ein kleiner willkommener Farbtupfer an Wintertagen.

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