Geistreich, amüsant, unterhaltsam

Schweich · Pfiffig und unterhaltend präsentiert die Stefan-Andres-Gesellschaft den Dreiklang von Literatur, Weinkultur und Musik bei ihren jährlichen geselligen Treffen im Niederprümer Hof in Schweich. Im Mittelpunkt der Lesungen ein prominentes Paar, das es in den volkstümlichen Sprichwörter-Kanon geschafft hat: Sokrates und Xanthippe, eben jene schimpfende Ehefrau der Antike, die einst wütend den Nachttopf über ihrem philosophierenden Mann ausgeschüttet hat.

Schweich. Schon die erste szenische Lesung "Der verwundete Sokrates" von Berthold Brecht stimmt die Zuhörer ein auf die Zweideutigkeiten des für eindeutig Gehaltenen. In Brechts Kalendergeschichte wird der große Philosoph Sokrates auf dem Schlachtfeld durch einen Dorn im Fuß verletzt. Indes: Die Schreie der wehleidigen Memme lassen den Feind zum Rückzug blasen und machen aus der Memme einen Helden.

Und weil für den Vorsitzenden der Stefan-Andres-Gesellschaft, Wolfgang Keil, Literatur nun einmal das geeignete Medium ist, das Unverwechselbare, das Individuelle zu verteidigen, ging es in der zweiten szenischen Lesung des Abends um Stefan Andres' Anekdote "Die Verteidigung der Xanthippe". Andres sehe die Frau des Sokrates ungerechterweise zum Inbegriff des zänkischen Weibes herabgewürdigt. "Dabei wäre der Philosoph ohne Xanthippe zwar nicht verhungert, seine berühmten Gastmahlgelage hätten aber nicht stattfinden können."
Andres zeige, dass es sich Sokrates zu einfach mache, dass er um der überlegenen Schlagfertigkeit willen, die Verzweiflung überhöre, die aus der Klage seiner Frau spreche. "Xanthippe ist in Andres' Sinn zwar die Unterlegene, aber sie ist die überlegen Unterlegene."
Im zweiten Teil des Abends glossierten, persiflierten und philosophierten die beiden Gast-Autoren, Horst Lachmund aus Trier und Emil Angel aus Esch-sur-Alzette, zum Thema "Ungleiche Ehepaare", die dennoch voneinander nicht lassen können.

Zum einen schlüpfte Lachmund nach sophistischer Essay-Manier in die Rolle des Philippiades, des Nachbarn von Sokrates, zum anderen nahm der langjährige Sportchef des Trierischen Volksfreunds im gewohnt unterhaltsamen Reim-Stil Männlein wie Weiblein in ihren Beziehungen aufs Korn und riet den Männern dieser Welt: "Denkt stets an Sokrates, den Schlauen, der trieb's zuhause niemals bunt. Er kannte sich gut aus mit Frauen und hielt im Zweifelsfall den Mund." Sein Luxemburger Autorenkollege Emil Angel karikierte in "Ein neues altes Jahr" gar köstlich den eigenen Ehealltag und ließ die vielen Zuhörer im Saal des Niederprümer Hof in der sicheren Gewissheit zurück: Überall das Gleiche...
Und weil der Geist im Trockenen nun einmal nicht gut wohnen kann, kredenzte Jürgen Schmitz vom Weingut Schweicher Hof den Andres-Jüngern an diesem Abend erlesene Tropfen aus seinem Weinkeller, die das Geselligkeitspotential nicht nur akustisch deutlich steigen ließen. Das Duo Uno (Uschi Boes, Norbert Olk, unterstützt von Flötistin Monika Delfosse) tat mit altbekannten Volksweisen das Übrige, den Abend zu einem harmonisch fein aufeinander abgestimmten Dreiklang von Literatur, Wein und Musik zu gestalten.Extra

Die Stefan-Andres-Gesellschaft wurde 1979 in Schweich gegründet und zählt heute 350 Mitglieder in 14 Staaten. Das Archiv der Gesellschaft hat seinen Sitz seit 1983 im mittelalterlichen, restaurierten Kulturzentrum Niederprümer Hof. Hier findet sich neben einer ständigen Ausstellung (mit Dokumenten, Briefen, Photos, Erstausgaben, Handschriften, Büsten, Gemälden, Möbeln) und einer Präsenzbibliothek sowie Büro- und Seminarräumen das Archiv der Gesellschaft, langjährig unterstützt von der Witwe des Dichters, Dorothee Andres (Rom). Sie ist Initiatorin und als solche mitverantwortlich für den "Stefan-Andres-Preis der Stadt Schweich für Literatur deutscher Sprache", der alle fünf Jahre verliehen wird. sbn

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