Genossenschaft macht Schule

Speicher · Ein Privatgymnasium soll im August 2018 in Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm) eröffnen. Eine frisch gegründete Genossenschaft kümmert sich darum, dass das klappt. Die Unterstützung für das Projekt ist offenbar größer als gedacht.

 Eulen wachen über den Eingang der Speicherer Otto-Hahn-Realschule. Hier soll 2018 der neue Campus entstehen. TV-Foto: Christian Altmayer

Eulen wachen über den Eingang der Speicherer Otto-Hahn-Realschule. Hier soll 2018 der neue Campus entstehen. TV-Foto: Christian Altmayer

Foto: (e_bit )

Speicher Alwin Ersfeld ist kein Mann der Politik. Der Speicherer sitzt in keinem Gremium, engagiert sich in keiner Partei. Trotzdem hat er entschieden, sich für seinen Ort einzusetzen. Er übernimmt den Vorstandsposten der neu gegründeten Genossenschaft "Gymnasium Speicher" - ein Ehrenamt, das mit Arbeit verbunden ist.
Dazu gehört auch: Klinken putzen. Im Umkreis von 20 Kilometern rund um die Töpferstadt hat Ersfeld Grundschulen besucht und dort für den neuen Oberstufen-Campus geworben. Und warum das alles? "Aus persönlicher Motivation", wie er sagt. So hielten es auch die meisten seiner Mitstreiter. Er sei selbst in Speicher zur Schule gegangen. Das will er auch den Kindern aus der Region ermöglichen - zum Beispiel seiner Tochter. Die könnte in die fünfte Klasse gehen, wenn das Gymnasium im August des nächsten Jahres eröffnet. "Wenn wir es bis dahin nicht schaffen, schaffen wir es nie", meint Ersfeld. Es bleibe ja schließlich noch fast ein Jahr Zeit, um alles zu regeln.
Und was es zu regeln gibt, müssen die Genossenschaftler leisten. Denn die etwa 30 Mitglieder sind die Träger des Privatgymnasiums. Sie kümmern sich um Personal und Material, Renovierungen und Umbauten. Keine leichte Aufgabe: Denn erst nach vier Jahren Betrieb gibt es Fördergelder des Landes. Diese Durststrecke müssen die Träger aus Eigenmitteln, Spenden und Krediten finanzieren.
Die Genossenschaftler organisieren also alles abseits der Lehrpläne und des Schulkonzepts. Dieses übernimmt man vom Oranien-Campus in Altendiez (siehe Info). Ersfeld und seine Kollegen entscheiden auch nicht, wer das Gymnasium besuchen darf und wer nicht. Dass das vor allem vom Geldbeutel der Eltern abhängen werde, argwöhnte so mancher Politiker im Verbandsgemeinderat. Vor allem die SPD-Fraktion sah die neue Schule bis zuletzt kritisch. Ihre Befürchtung: Das Schulgeld von 190 Euro im Monat sei zu hoch für Speicherer Familien. Entgegen dieser Bedenken hat der VG-Rat im Juni beschlossen, die neue Schule grundsätzlich zu unterstützen (der TV berichtete). Ersfeld stellt - angesprochen auf die Kontroversen - noch einmal klar: "Jeder, der den nötigen Grips mitbringt, darf kommen." Bevor es so weit ist, muss aber noch eine Formalität aus dem Weg geräumt werden. Das Finanzamt muss die Gemeinnützigkeit der Genossenschaft anerkennen. Die Satzung habe die Behörde im Vorfeld zwar schon abgenickt, wie Ersfeld versichert. Aber der offizielle Stempel fehle noch. Ganz spruchreif ist das alles also noch nicht. Die Genossenschaftler haben ihre Gründung trotzdem schon mal gefeiert. Auch Landrat Joachim Streit hat diese erste Versammlung im Speicherer Rathaus besucht.
Und was sagt der? "Ein privates Gymnasium in Speicher wird das Bildungsangebot im Eifelkreis erweitern." Genauso sieht es VG-Bürgermeister Manfred Rodens: "Ich halte eine weiterführende Schule in genossenschaftlicher Form für die positive Entwicklung unserer Gemeinden für enorm wichtig." Aber nicht nur von politischer Seite gibt es laut Ersfeld eine Menge Unterstützung. Es seien nach der Gründung noch etliche Mitgliedsanträge für die Genossenschaft eingegangen. Auch erreichten ihn Briefe und E-Mails von Eltern und Lehrern. Die einen wollen ihre Kinder auf den neuen Campus schicken. Die anderen wollen diese Kinder unterrichten. "Und das ganz ohne dass wir großartig auf uns aufmerksam gemacht haben", sagt Ersfeld, "das hat mich schon überrascht."
Informationen über Standort, Konzept und Planungsstand gibt es auf der neuen Website der Genossenschaft:
www.gymnasium-speicher.de
Aber auch bei einem Infoabend in der Aula der Realschule können Interessierte am 2. November, ab 19 Uhr, einiges über die Schule erfahren.KommentarMeinung

Ich ziehe meinen Hut
Manchmal ist man sich sicher - und liegt doch falsch. Niemals bekommen die Speicherer genug Kinder und Unterstützer für ihr Schulprojekt zusammen - so die Prognose, die ich in meinem jüngsten Kommentar zum Thema geäußert habe. Doch da habe ich die Speicherer offenbar unterschätzt. Sie wollen diese Schule. Und sie sind auch bereit, sich einzubringen und ihre Kinder auf den neuen Campus zu schicken. Ungeachtet dessen, was man vom System Altendiez halten mag, bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Hut zu ziehen vor diesem Engagement. c.altmayer@volksfreund.deExtra: DAS KONZEPT DES ORANIEN-CAMPUS


Der Oranien-Campus Altendiez ist ein genossenschaftliches Ganztags-Gymnasium in Altendiez. Der Campus wirbt mit moderner Ausstattung und kleinen Klassen. Die Betreiber erheben ein Schulgeld. So ähnlich soll auch die Einrichtung aussehen, die im Speicherer Schulzentrum entstehen soll. Die Kosten dafür liegen laut einer Machbarkeitsstudie zwischen dreieinhalb und sieben Millionen Euro.

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