"Ich werde niemals hassen!"

Mit einem beeindruckenden Bildvortrag brachte die Holocaust-Überlende Inge Auerbacher aus New York Schülern des Max-Planck-Gymnasiums (MPG) die NS-Zeit nahe - als Information gegen Vergessen und Zeichen für Versöhnung.

 Ihren Judenstern, den sie sich bei der Befreiung des KZ Theresienstadt von den Kleidern riss, zeigte Inge Auerbacher den Trierer Schülern als mahnendes Zeichen der Erinnerung. TV-Foto: Björn Pazen

Ihren Judenstern, den sie sich bei der Befreiung des KZ Theresienstadt von den Kleidern riss, zeigte Inge Auerbacher den Trierer Schülern als mahnendes Zeichen der Erinnerung. TV-Foto: Björn Pazen

Trier. (BP) Verständigung ist ihr wichtiger als Hass, Versöhnung steht über allem, wenn Inge Auerbacher (Jahrgang 1934) über ihre persönlichen Erlebnisse aus der NS-Zeit, von Zerstörung, Tod und Deportation berichtet. "Ich bin so deutsch wie ihr auch" ruft sie den Zehntklässlern und Oberstufenschülern des MPG entgegen, und: "Ich werde niemals hassen, sonst könnte ich nicht leben."

Die Schüler kleben der heute in New York lebenden Autorin und Chemikerin an den Lippen, wenn sie über ihre Jugend im schwäbischen Kippenheim berichtet, Bilder ihres Elternhauses zeigt, auf die Fotos der in der Pogromnacht zerstörten Synagoge folgen. Am 70. Gedenktag war sie in Heidelberg, auf Einladung von MPG-Lehrerin Juliene Willinger-Rass fesselte Auerbacher die Schüler und machte sie nachdenklich.

Ihre Familie hatte über Jahrhunderte hinweg in Kippenheim gelebt, ihr Vater war im Ersten Weltkrieg verwundet worden ("Er war ein stolzer Deutscher"). Sie berichtet über den Beginn des Holocaust, als alle Fensterscheiben ihres Hauses mit Steinen eingeworfen wurden, wie ihr Vater und Großvater zwischenzeitlich nach Dachau deportiert wurden, wie sie umzogen - dem Schrecken der NS-Herrschaft aber nicht entfliehen konnten.

Als 1940 in ihrer neuen Heimat die ersten Deportationen nach Riga begannen, hatten sie noch Glück, am 22. August 1942 wurde die damals Siebenjährige mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert - ihre Nummer weiß sie noch heute: 131 408. Auch ihren Judenstern, den sie sich bei der Befreiung von Theresienstadt von den Kleidern riss, zeigte sie den Schülern als eindrucksvolles Erinnerungsstück.

140 000 Insassen hatte Theresienstadt, zwei Drittel wurden später in Auschwitz vergast, die meisten anderen starben im Lager. Nur ein Prozent der Kinder von Theresienstadt überlebte - darunter Inge Auerbacher. Sie berichtet aus dem Lageralltag, wie sie schwer erkrankte - und wie die Russen sie und ihre Eltern befreiten, am 8. Mai 1945, dem letzten Tag des Krieges, um 8.50 Uhr, nachdem die Deutschen alle Akten verbrannt und die Häuser mit Handgranaten beworfen hatten.

Mit ihren Eltern emigrierte sie in die USA, wo sie wegen einer im Lager erlittenen Tuberkulose zwei Jahre im Krankenhaus verbringen musste. "Erst mit 15 Jahren ging ich richtig in die Schule." Sie wurde Chemikerin und begann 1981 nach einem Treffen von Holocaust-Überlebenden in Israel zu schreiben. Derzeit ist ihr sechstes Buch in Arbeit, die übrigen - wie ihr größter Erfolg "Ich bin ein Stern" - wurden in acht Sprachen übersetzt, zahlreiche Filme wurden über sie gedreht. Und auf ihren Vortragsreisen plädiert sie für Verständnis: "Wenn ich Deutschland hassen würde, wäre ich nicht gekommen. Ihr Schüler seid zu jung, um schuldig zu sein."

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