Kalte Vollzugslogik - von Humanität keine Spur

Abschiebung

Zum Bericht "Familie F. und die deutsche Abschiedskultur - Wie albanische Asylbewerber Hals über Kopf aus Gusterath abgeschoben wurden" (TV vom 23. Januar):
Beim Lesen dieses Artikels über die Abschiebung einer bereits seit zwei Jahren in Deutschland ansässigen fünfköpfigen albanischen Familie mit fortgeschrittenem Integrationsstand am 13. Januar frühmorgens um 5.45 Uhr (!) in Gusterath sträuben sich einem die Nackenhaare. Jenseits der Verhältnismäßigkeit eines Einsatztrupps von 13 Vertretern der Staatsgewalt, darunter sechs Polizisten - vier davon in Uniform, also inklusive Schusswaffen -, kann das Prozedere nur als menschenverachtend bezeichnet werden. Hier ist in kalter Vollzugslogik vorgegangen worden, von Humanität keine Spur.
Als ehemaliger Direktor einer europäischen Kinderrechtsorganisation war ich frappiert, dass sich dieser Einsatz im zivilisierten Rechtsstaat Deutschland abspielte. Einzelheiten gelangten nur an die Presse, weil eine mutige Betreuungsfamilie sich nicht des Ortes verweisen ließ. Alle Achtung für ihre Zivilcourage; Dank auch an den TV-Redakteur Albert Follmann.
Das offenbar kalte Vollstreckungsprozedere jenseits humaner Mindeststandards - mit Ausnahme einer jungen Polizistin - erschreckt moralisch zutiefst. Insbesondere die Tatsache, dass der laut um Hilfe schreienden Mutter vor den Augen ihrer Kinder Handschellen angelegt wurden - ein für Kinder höchst traumatisierendes Schockerlebnis - steht in eklatantem Widerspruch zu zentralen Artikeln der UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland ratifiziert hat, sowie einschlägigen EU- und nationalen Kinderschutzbestimmungen.
Umso unwürdiger, dass dem Sprecher des Landkreises Trier-Saarburg als abschiebender Behörde zur Rechtfertigung nichts anderes einfällt als die Nichtreaktion der Familie auf Ausreiseangebote beziehungsweise empathieloses Paragrafenzitieren: Werde dies ausgeschlagen, sei "die Ausreiseverpflichtung nach den entsprechenden Vorgaben im Wege der Abschiebung durchzusetzen".
Diese Art von bürokratischer Umsetzungskälte weckt schlimme Assoziationen.
Es ist zu hoffen, dass der "Einsatz" ein politisches Nachspiel inklusiver überregionaler Presse- resonanz haben wird, um weiteren Aktionen dieser Art vorzubeugen.
Reinhold Müller, Tawern

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