Machtspielchen auf den Radwegen: Konflikte zwischen Nutzern nehmen zu - Ordnungsamt mahnt zur Rücksichtnahme

Kell am See/Schweich/Trier · Auf kombinierten Rad- und Fußgängerwegen geht es bisweilen ruppig zu. Langsame Radfahrer beschimpfen schnellere als rücksichtslose Raser. Fußgänger müssen beiseite springen, um einen Zusammenstoß mit Radlern zu verhindern, werden aber auch selbst zum Feindbild, wenn sie sich allzu breit machen und Radfahrer behindern.

 So entspannt wie hier bei Kell am See funktionieren die Überholmanöver nicht immer. Oft gibt es Zoff zwischen den Radweg-Nutzern. TV-Foto: Christa Weber

So entspannt wie hier bei Kell am See funktionieren die Überholmanöver nicht immer. Oft gibt es Zoff zwischen den Radweg-Nutzern. TV-Foto: Christa Weber

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Kell am See/Schweich/Trier. Der Ton auf Radwegen werde rauer, die Konflikte nähmen zu. Das beobachtet ein älteres Ehepaar aus dem Ruwertal, das mit Elektro-Bikes regelmäßig die Radwege der Region (siehe Karte) befährt. Aus Angst vor Repressalien möchten die beiden anonym bleiben.Zu wenig Kontrollen?


Es seien vor allem Rennradfahrer mittleren Alters, die gefährliche Situationen hervorrufen. "Die kommen von hinten angefegt, klingeln meist nicht und fahren eng an einem vorbei." Auch brenzlige Situationen mit Fußgängern hätten sie schon öfter erlebt, berichtet das Paar. Zuletzt bei einem Überholvorgang zweier Rennradfahrer auf dem Ruwer-Hochwald-Radweg. Einer sei gestürzt, weil er nach dem Überholen noch vor entgegenkommenden Fußgängern einscheren wollte.

Aufgrund mehrerer Beschwerden von Radwegnutzern hat das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde Ruwer in der jüngsten Ausgabe des Amtsblatts darauf aufmerksam gemacht, dass auf dem Ruwer-Hochwald-Radweg die Straßenverkehrsordnung und damit Paragraf 1 gilt: "Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht." Einhalt gebieten könne man den Verkehrsrowdys am besten durch Polizeikontrollen, aber die gebe es ja leider nicht, klagen die Rad-Senioren aus dem Ruwertal.

"Kontrollieren ist gut und schön, doch mit welchem Personal?", fragt Andrea Raach-Pütsch, Verkehrsexpertin der Polizeiinspektion (PI) Schweich. Bei 16 Unfällen im laufenden Jahr mit Beteiligung von Radfahrern habe sich nur einer auf einem Radweg ereignet, sagt Raach-Pütsch. Eine Radlerin habe beim Überholen zwei Kinder angefahren. Auch das war auf dem Ruwer-Hochwald-Radweg. Vor etwa zwei Wochen hat es an der deutsch-luxemburgischen Grenze bei Rosport gekracht: In der Nähe eines Spielplatzes fuhren drei Rennradfahrer in eine Fußgängergruppe; es gab mehrere Verletzte.Fahrradstreifen in Trier


Die Trierer Polizei setzt bei Kontrollen im Stadtgebiet Fahrradstreifen ein. Rückmeldungen der Zweier-Teams ließen nicht den Schluss zu, dass es auf dem Moselradweg rüpelhafter zugehe, sagt Verkehrssicherheitsberater Martin Haupenthal. Am meisten beanstandet werde das Tragen von Kopfhörern sowie das Radfahren auf Gehwegen und in der Fußgängerzone. Auch seien viele Radler ohne Klingel unterwegs. Weil Rennräder als Sportgeräte gelten, so Haupenthal, müssten sie keine Klingel haben.

Birgit Jung, Jugendwartin beim Radfahrverein Schwalbe Trier, ist oft mit ihren Schützlingen in Gruppen unterwegs. Meist auf der Straße - und ohne Klingel. Wenn Radwege benutzt werden (siehe dazu auch das Extra), bläut sie ihren Schützlingen ein, früh genug "Achtung" zu rufen und die Leute, die Platz gemacht haben, zu grüßen und sich beim Vorbeifahren artig zu bedanken. "Es ist ein Geben und Nehmen", sagt Jung, "wenn jeder auf den anderen Rücksicht nimmt, dann klappt's auch." Es gebe leider auch unvernünftige Sportfahrer, die immer meinten, sie hätten Vorfahrt, sagt Dietrich Sieren vom Radfahrverein Frei Weg Serrig. Andererseits kann er den Ärger sportlich ambitionierter Fahrer verstehen, wenn Freizeitradler nebeneinander fahren und den Weg blockieren. Zwei Dinge stören Sieren auf den Radwegen besonders: Morgendliche Gassi-Geher, die ihre Hunde frei laufen lassen, und Leute, die Glasflaschen auf Radwege werfen. Letzteres sei auf dem Saar-Radweg bei Saarburg ein großes Problem."Fahrt rechts!"


"Fahrt rechts, dann gibt es keine Probleme!" Diese Empfehlung gibt Hermann Spanier. Der Hobbyradler aus Fell spult jährlich rund 10 000 Kilometer mit seinem Rennrad ab. Seine Erfahrung ist, dass viele Radfahrer und Fußgänger überfordert sind. "Wir können stolz sein auf unsere schönen Radwege, doch die Kehrseite der Medaille ist, dass auch der Verkehr dort zunimmt."Meinung

Ohne Disziplin geht's nicht
Dass auf Radwegen mehr geschimpft wird als früher, liegt sicher nicht daran, dass die Menschheit mürrischer geworden ist. Auch nicht daran, dass Jüngere Älteren keine Achtung mehr entgegenbringen. Wenn es mehr Konflikte gibt, dann hat das eher etwas mit den tollen, gut ausgebauten Radwegen in unserer Region zu tun und der daraus resultierenden Zunahme des Radtourismus. Zwei Meter sind verdammt eng. Wenn Radfahrer, Fußgänger, Skater und Gassi-Geher da miteinander parat kommen wollen, muss sich jeder einzelne disziplinieren. Auf der Straße weiß jeder, dass Regeln zu beachten sind. Auf Radwegen glauben anscheinend immer noch viele Nutzer, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen und derjenige Vorfahrt hat, der am schnellsten fährt oder am lautesten schreit. a.follmann@volksfreund.deExtra

Entgegen landläufiger Meinung müssen auch Rennradfahrer oder schnelle Mountainbiker Radwege benutzen. Das gilt aber nicht für alle Radwege. Laut der Straßenverkehrsordnung besteht die Nutzungspflicht nur dann, wenn der Radweg durch ein blaues Schild gekennzeichnet ist. Wo dies fehlt, darf auch bei vorhandenem Radweg die Fahrbahn benutzt werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass baulich abgesetzte Radwege wegen möglicher Konflikte mit Fußgängern vielfach ein höheres Unfallrisiko für Radfahrer bedeuten als das Fahren auf der Straße. alf

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