Mit Gehör und Gespür

Thomas Jäger aus Kordel lebt für die Musik. Als Alleinunterhalter spielt der stark Sehbehinderte auf Hochzeiten und anderen Festen. Kürzlich erhielt er aber einen besonderen Auftrag: Er sollte die Szenen des neuen Films "Hochwaldwind" von Willi Graf musikalisch unterlegen.

 Eingespieltes Team: „Hochwaldwind“-Regisseur Willi Graf (links) beschrieb Thomas Jäger die Filmszenen. Der blinde Musiker komponierte die eindrucksvolle Filmmusik. TV-Foto: Katja Bernardy

Eingespieltes Team: „Hochwaldwind“-Regisseur Willi Graf (links) beschrieb Thomas Jäger die Filmszenen. Der blinde Musiker komponierte die eindrucksvolle Filmmusik. TV-Foto: Katja Bernardy

Kordel. Schon als Kind hat Thomas Jäger Musik gemacht. Und als er die Blindenschule in Neuwied besuchte, brachte ihm ein Lehrer das Orgelspielen bei. Seinem Hobby ist er bis heute treu geblieben. "Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, entspanne ich mich am Keyboard", erzählt der Telefonist. Er singt im Männergesangverein, und an Wochenenden sorgt er als Alleinunterhalter für Stimmung auf Familienfesten.

Eine Hochzeit sollte schicksalhaft für den jungen Mann werden: Ein Darsteller, der in dem neuen Film von Willi Graf, "Hochwaldwind" (der TV berichtete), mitmacht, war ebenfalls dort und begeistert vom Können des Kordeler Musikers. Er stellte den Kontakt zu dem Regisseur her. Thomas Jäger und der Filmemacher entpuppten sich als gutes Team: "Willi Graf hat mir die Szenen beschrieben und gesagt, wie lange die Musik dauern muss", erzählt Jäger. Am Keyboard hat er dann die beschriebenen Bilder mit entsprechenden Melodien unterlegt. "Wenn die Banditen die Leute bedrohen, dann muss die Musik unheimlich sein." In diesem Fall habe er sich für Geigen entschieden und schräge Akkorde reingemischt. Und Pauken und Beckenschläge an der richtigen Stelle täten ihr Übriges dazu, um Spannung zu erzeugen.

Noten verwendet er keine. "Es gibt zwar Noten in Punktschrift für Blinde, aber ich kann während des Spielens nicht nachfühlen", erklärt Jäger. Er hat einen eigenen Weg gefunden: Der Künstler am Keyboard verlässt sich auf sein feines Gehör und seine Sensibilität. Am Ende hatte er mehr als eine Stunde exklusive Filmmusik kreiert. Die Musik gibt dem Windkraft-Krimi an den entscheidenden Stellen einen besonderen Kick, mal treibt sie die Dramatik nach oben, mal untermalt sie die Fröhlichkeit eines Hochzeitspaares. "Ich bin sehr zufrieden", sagt Tomas Jäger nach 100 Filmminuten. "Ich könnte mir durchaus vorstellen, so etwas wieder zu machen", fügt der blinde Musiker hinzu.

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