Morgengrau(s)en im Schulbus

Wer morgens einen Sitzplatz im Bus von Fell nach Trier ergattern will, muss viel Kraft haben und sehr früh aufstehen. Doch einige Feller Eltern sorgt mehr die Tatsache, dass der Bus über die Autobahn fährt. Der TV hat nachgefragt.

Fell/Trier. Michaels Schultag beginnt um 5.30 Uhr. Duschen, frühstücken, dann muss er los zur Haltestelle "Kirchstraße" (Abfahrt 6.35 Uhr). Nur so hat er eine Chance auf einen Sitzplatz. "Die rennen wie Tiere in den Bus", sagt der Fahrer des Gelenkbusses, der am Morgen die Fahrgäste in Fell und einige in Longuich einsammelt. Im Bus sei es nicht mehr so voll wie in den Vorjahren, zwar müssten immer noch einige Kinder stehen, aber das Problem liege seiner Meinung nach draußen. Es wird tatsächlich gedrängelt und geschubst. Das Recht des Stärkeren scheint zu gelten. Eine Fünftklässlerin hat keine Chance. "Es wäre besser, wenn die Großen mehr Rücksicht nehmen würden", sagt sie. Aber auch die "alten Hasen" haben noch ihre Probleme. Vor allem am Mittag. "Dann fährt der Bus über Schweich und ist gerammelt voll", berichtet Zehntklässler Michael. "Nur wenn man sich vorne aufhält, kann man überleben." Zurück zur Fahrt Richtung Trier: Zahlreiche Kinder müssen stehen, und der Bus fährt über die Autobahn. Ist das zulässig? "In diesem Fall handelt es sich um die Beförderung von Schülern in einem Linienbus", sagt Polizeioberkommissar Karl-Heinz Bier von der Schwerverkehrs- und Gefahrgutkontrolltruppe der Polizeidirektion Wittlich. "Im Linienverkehr entfällt die Anschnallpflicht grundsätzlich, und die Nutzung von geeigneten Stehplätzen ist erlaubt", sagt Bier. In Paragraf drei der Straßenverkehrs- ordnung sei aber geregelt, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch unter günstigen Umständen für Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen, höchstens 60 Kilometer pro Stunde betragen dürfe. Das gelte auch auf der Autobahn. Mit dem PKW die Probe aufs Exempel

Der TV ist am Freitagmorgen einem voll besetzten Linienbus mit zahlreichen stehenden Schülern auf der A 602 von Kenn bis Trier gefolgt. Die auf dem Tacho des PKW angezeigte Geschwindigkeit betrug kontinuierlich 90 km/h. Sind 30 km/h zu viel nur ein Einzelfall?"Paradox ist, dass bei Klassenausflügen wie etwa bei Theaterfahrten jedes Kind einen Sitzplatz haben muss", sagt Rolf Diederichs, Sprecher und Vorsitzender der Elterninitiative "Sichere Schülerbeförderung". Auf die vollen Busse angesprochen, sagt Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt Trier: "Das ist kein spezifisches Problem dieses Linienbusses, sondern auch in den Stadtbussen sind die Busse zu den Rushhours voll, aber nicht unzulässig voll." Die Stadt kommt nach dem im Schulgesetz verankerten Schulstandortprinzip neben dem Eigenanteil der Eltern und Zuschüssen vom Land für die Kosten der Schülerbeförderung auch der Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis auf. Einige Feller Eltern haben Konsequenzen gezogen. Sie haben Fahrgemeinschaften organisiert und chauffieren ihre Kinder mit dem PKW zur Schule. "Das Fahren mit dem Bus ist nicht kindgerecht und zu gefährlich", sagt eine Mutter, die namentlich nicht in der Zeitung genannt werden möchte. Eine Stellungnahme der Moselbahn liegt trotz mehrfacher Anfrage noch nicht vor. In den nächsten Tagen folgt ein weiterer Artikel zu diesem Thema.Meinung Wird zu knapp kalkuliert? Die Unzulänglichkeiten beim Schülerverkehr sind seit Jahren ein Dauerthema in Deutschland. Eine Besserung scheint jedoch nicht in Sicht - trotz ständiger Klagen der betroffenen Kinder und Jugendlichen, der Klagen von Eltern und Lehrern und - insbesondere vor Wahlen - den Lamentos von Politikern. Das Beispiel der Schülerbeförderung von Fell nach Trier und zurück lässt jedenfalls eine knappe Kalkulation der Linienbetreiber vermuten. Wenn die Auslastung der Busse über Tag nur mäßig ist, dann soll es wenigstens der Schülerverkehr bringen. Schülerverkehr ist gleichbedeutend mit garantierter Vollauslastung der Fahrzeuge. Welcher Disponent mit spitzem Bleistift würde da für den morgendlichen Ansturm einen zusätzlichen Bus auf die Route schicken? Knapp kalkuliert scheinen auch Fahrpläne und Fahrzeiten. Erklären sich dadurch die zum Teil extrem frühen Abfahrtszeiten, wie etwa in Fell? Und die 90 km/h auf der A 602 mit stehenden Fahrgästen im Wagen rühren sicher auch nicht daher, dass der Fahrer plötzlich vom Geschwindigkeitsrausch befallen wurde. f.knopp@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort