Nach der Schlacht ist vor der Schlacht: Wie Bürgerinitiativen Windräder auf den Moselhöhen verhindern wollen

Riol/Trier · Unerwartete Schützenhilfe haben jetzt Gegner der geplanten Moselwindräder bei Riol bekommen: Das Schlachtfeld, auf dem sich vor 2000 Jahren Römer und Treverer bekämpften, liegt auf jenem Höhenzug, auf dem Vorrangflächen für Windkraft ausgewiesen werden sollen.

Riol/Trier. Dass seltene Fledermausarten und schützenswerte Vögel Windkraftpläne durchkreuzen können, ist bekannt. Doch dass ein 2000 Jahre altes Schlachtfeld als Argument gegen den Bau von Windrädern vorgebracht wird, dürfte ein Novum sein. Der Verein Gegenwind aus Fell jedenfalls findet, dass die "sensationelle Entdeckung" (der TV berichtete am 19. November) die Windkraftpläne auf dem Moselhöhenrücken endgültig auf Eis legen müsste. Ein Dorn im Auge sind den Kritikern insbesondere neun Anlagen, die oberhalb von Riol und Mehring geplant sind (siehe Karte), und für die die Gemeinden bereits Vorverträge mit dem Investor Juwi Wind GmbH abgeschlossen haben.
Bekämpft werden die Moselwindräder gleich von vier Bürgerinitiativen (BI) - neben Gegenwind sind das die Interessengemeinschaften Rioler Bürger und Windkraft Mehring sowie die BI "Pro Natur Heidenburg". Dass ihre Argumente (unter anderem Zerstörung der Kulturlandschaft Mosel, gesundheitliche Schäden, Tierschutz) von vielen Bürgern gehört und geteilt werden, zeigt sich an der Vielzahl der Einwände, die im Vorfeld der Festlegung von Windkraft-Vorrangflächen in der Verbandsgemeinde Schweich vorgebracht wurden. Landeten nach der ersten Offenlegung der Pläne noch knapp 500 Anregungen und Bedenken von Bürgern und Behörden im Rathaus, so waren es bei der zweiten Offenlegung etwa 1500. Am 7. Dezember wird sich der Verbandsgemeinderat Schweich mit den Eingaben befassen (ab 16 Uhr Bürgerzentrum Schweich).
Das historische Schlachtfeld (siehe Extra) ist aber nur ein Trumpf, den die Gegner ausspielen wollen. Der Verwaltung um Bürgermeisterin Christiane Horsch werden auch formale Fehler unterstellt. So habe sie zugelassen, dass Ratsmitglieder an Debatten und Abstimmungen mitgewirkt haben, die Mitunterzeichner bei Vorverträgen der Gemeinden mit Juwi waren. Etwa der VG-Beigeordnete Erich Bales (Mehring) oder die Ortsbürgermeister Jürgen Kollmann (Mehring), Arnold Schmitt (Riol) und Albin Merten (Detzem). Diese Personen könnten nicht unabhängig entscheiden, glaubt Erwin Britz, zweiter Vorsitzender des Vereins Gegenwind. In den Verträgen stehe, dass sie zu jeder Zeit alles unternehmen müssten, um die Wirksamkeit des Vertrages nicht zu gefährden.
Die Verbandsgemeinde lässt derzeit beim Gemeinde- und Städtebund überprüfen, ob Räte befangen sind. "Da gibt es uneinheitliche Rechtsauffassungen, sagt Verwaltungschefin Horsch. Sie hat ihren Ortsbürgermeistern empfohlen, in der Dezember-Sitzung nicht an der Abstimmung teilzunehmen. "Ich warte das Prüfungsergebnis ab, sehe dem aber entspannt entgegen", sagt Beigeordneter Erich Bales. Er ist auch Beigeordneter der Gemeinde Mehring, dessen Rat sich einstimmig für den Bau von vier Windrädern ausgesprochen hat. Bales: "Ich bin nach der Gemeindeordnung verpflichtet, mich für das Wohl der Gemeinde einzusetzen. Und nichts anderes mache ich."
Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiativen bezieht sich auf die Gutachter und Berater der VG. Da diese von Juwi, dem späteren Nutznießer, entlohnt würden, müsse man deren Neutralität in Frage stellen. Die BI Gegenwind hat bei der VG eine Einwohnerfragestunde beantragt, in der der Diplom-Biologe Olaf Kiffel (Mainz) die Möglichkeit bekommen soll, seine Stellungnahme zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans vorzubringen. Kiffels Fazit ist, dass die Konzentrationsflächen bei Riol und Mehring angesichts ihrer Sensibilität für Vogel-, Fledermaus und Landschaftsschutz gestrichen werden müssten. Gutachter Andreas Jestaedt, dem die VG vertraut, gibt hingegen grünes Licht für etwa 20 Windräder. Darunter sind auch die umstrittenen fünf auf Rioler Gemarkung, eben dort, wo einst die römischen Legionen die aufständischen Treverer besiegt haben. Die Gegenwindler und ihre Mitstreiter wollen den Spieß umdrehen: Diesmal sollen die Underdogs gegen die Obrigkeit gewinnen.Meinung

Kampf mit Paragrafen
Römer und Treverer sind vor 2000 Jahren bei Riol mit Knüppeln und Schwertern aufeinander losgegangen. Die Waffen der neuzeitlichen Kontrahenten sind Richtlinien und Paragrafen. Dabei hat die emotionale Schlacht um Windkraftstandorte ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Es geht ja derzeit "nur" um potenzielle Vorrangflächen. Wenn der VG-Rat Schweich am 7. Dezember die Änderung des Flächennutzungsplans beschließen sollte, ist das zunächst einmal eine Windkraft-Verhinderungsplanung. 98 Prozent der VG-Fläche wird ausgeschlossen; einen Baubeschluss gibt es de facto noch nicht. Ans Eingemachte geht es erst beim späteren Genehmigungsverfahren für einzelne Windräder. Dann könnten neben dem Nachweis schützenswerter Tiere auch neue Funde auf dem Rioler Schlachtfeld relevant werden. Für keine Seite ist also zum jetzigen Zeitpunkt etwas gewonnen oder verloren. Mehr Ruhe und Besonnenheit statt Anfeindungen und Fundamentalismus würden dem Thema gut tun. a.follmann@volksfreund.deExtra

Mittlerweile gilt als sicher, dass um das Jahr 70 nach Christus auf der Gemarkung des antiken Rigodulum (Riol) eine Schlacht zwischen Römern und Treverern stattgefunden hat. Funde, darunter Münzen, sollen auf der Nero-Ausstellung 2016 in Trier gezeigt werden. Obwohl die Rioler Funde vermutlich nicht so spektakuläre Dimensionen erreichen werden wie in Kalkriese (Varusschlacht), sollen sie vor Ort gewürdigt werden. Laut Marcus Reuter, Direktor des Trierer Landesmuseums, will die Generaldirektion Kulturelles Erbe in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Riol Vorschläge erarbeiten. Die bisherigen Funde konzentrieren sich auf eine etwa 100 mal 200 Meter große Fläche. Für den Fall, dass in der Nähe Windräder gebaut werden, haben die Archäologen vorgesorgt. Reuter: "Der Investor ist bereits informiert, dass der Bereich vorher abgesucht und Funde geborgen werden." Eine Option sei auch, dass der Fundort unter Denkmalschutz gestellt wird. alf

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