Naturpark: Windräder nicht mehr tabu - Vier Verbandsgemeinden können jetzt auch Anlagen in Kernzonen planen

Waldrach/Schweich/Trier · Alles wieder zurück auf Los: Das Land will unter bestimmten Voraussetzungen Windräder in den Kernzonen des Naturparks Saar-Hunsrück zulassen. Bisher war in diesen Gebieten, die in besonderer Weise dem Naturschutz und der Erholung dienen, der Bau von Gewerbeanlagen verboten. Betroffen sind Flächen in den Verbandsgemeinden Ruwer, Saarburg, Kell am See und Konz.

Naturpark: Windräder nicht mehr tabu - Vier Verbandsgemeinden können jetzt auch Anlagen in Kernzonen planen
Foto: klaus kimmling (kik), klaus kimmling ("TV-Upload kimmling"

Waldrach/Schweich/Trier. Das Land Rheinland-Pfalz will bis zum Jahr 2020 auf zwei Prozent seiner Fläche Windanlagen errichten. Dadurch soll im Vergleich zum Jahr 2010 die Menge des erzeugten Windstroms verfünffacht werden. Um aber zu verhindern, dass es einen ungesteuerten Wildwuchs an Windrädern gibt, überarbeiten derzeit die Verbandsgemeinden ihre Flächennutzungspläne (FNP).Sieben Naturpark-Kernzonen


Dabei spielen auch mögliche Standorte von Windrädern in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück eine Rolle. Während das Saarland keine Kernzonen kennt, gibt es davon im rheinland-pfälzischen Teil des Naturparks sieben. In ihnen war bisher laut einer Verordnung aus dem Jahr 1980 das Errichten "gewerblicher Anlagen", wozu auch Windräder zählen, verboten.
Dass die oberste Landesnaturschutzbehörde, die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, nicht mehr an dieser strikten Regelung festhält, ist schon längere Zeit bekannt. Nun hat die Behörde erläutert, wie sie die Genehmigung von Flächen für eine mögliche Windkraftnutzung prüfen will.Dreistufiges Prüfverfahren


In einem dreistufigen Verfahren untersucht die SGD, ob öffentliche Interessen die Aufhebung eines Bauverbots in den Kernzonen rechtfertigen und Belange des Umweltschutzes sowie der Landschaftspflege dem nicht entgegenstehen. Im ersten Schritt wird geprüft, ob die Verbandsgemeinden auch ohne Ausweisung von Standorten in Kernzonen die Zwei-Prozent-Quote bei der Ausweisung von Flächen für Windräder erfüllen. Als Nächstes wird die Lage der Windkraftstandorte in den besonders geschützten Bereichen untersucht. Als Drittes wird die Schutzwürdigkeit der angedachten Flächen beurteilt. Hierbei berücksichtigt die Behörde auch etwaige Vorbelastungen wie Straßenlärm oder optische Beeinträchtigungen.

In der Verbandsgemeinde Ruwer liegen zwei potenzielle Windkraftgebiete in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück: eine Fläche südlich von Schöndorf/Holzerath sowie eine Fläche südlich von Farschweiler. In Abstimmung mit der SGD hat der Verbandsgemeinderat Ruwer kürzlich ein Büro beauftragt, Anträge auf Befreiung der für Kernzonen geltenden Auflagen auszuarbeiten. Adressat der Anträge ist die SGD. Außerhalb einer Naturpark-Kernzone liegen die beiden anderen Flächen, die in der VG Ruwer für Windparks infrage kommen. Dies sind Bereiche oberhalb von Waldrach Richtung Thomm sowie bei Lorscheid. Lorscheid könnte möglicherweise zwei oder drei Anlagen bekommen, sagt Bürgermeister Bernhard Busch. Es gebe Kontakte mit den Firmen Jade Natur Energie und Juwi, aber noch keine Vorverträge.
Derzeit läuft in der Verbandsgemeinde Ruwer das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans Windkraft. In der nächsten Sitzung des Verbandsgemeinderats Ruwer (16. Dezember) ist geplant, die 600 bei der zweiten Offenlegung der Pläne vorgebrachten Einwände von Bürgern und Behörden abzuwägen. Ob es dazu komme, stehe angesichts der Fülle des von der Verwaltung aufzuarbeitenden Materials aber noch nicht definitiv fest, sagt Busch.

In der Verbandsgemeinde Trier-Land können die Bürger voraussichtlich im Januar zum zweiten Mal Stellungnahmen zu Windkraftplänen der VG abgeben.

Die Verbandsgemeinde Schweich ist schon weiter. Rund 1600 (!) Einwände sollen in der "Windsitzung" des VG-Rats am 7. Dezember vom Rat abgewogen werden.

Für die Verbandsgemeinde Saarburg bedeutet die Ankündigung der SGD, dass die bislang für Windkraftanlagen favorisierten Standorte für Windräder im Bereich Irsch/Serrig sowie Freudenburg wegen ihrer Lage in der Kernzone Saartal-Leukbachtal des Naturparks Saar-Hunsrück noch mal genauer zu untersuchen sind. Darauf hat auch der Stadtrat Saarburg in seiner jüngsten Sitzung hingewiesen. Ob die fünf Windräder am Judenkopf (Gemeinde Losheim-Britten, Saarland) sowie die geplanten Anlagen bei Britten und Faha im Saarland als Vorbelastung einzustufen sind, ist derzeit offen.

Die Verbandsgemeinde Kell am See hat sich nach langem Hin und Her auf zwei mögliche Flächen für Windkraft geeinigt - den Zerfer Wald und den Teufelskopf bei Waldweiler. Beide Standorte liegen größtenteils in der Naturpark-Kernzone. Das FNP-Verfahren ist in Kell aber noch nicht weit fortgeschritten. Es fehlen noch diverse Gutachten - etwa zu den Auswirkungen auf das Landschaftsbild.Meinung

Was gestern noch richtig war …
Die Kehrtwende war absehbar. Windräder dürfen nun also auch in Kernzonen von Naturparks gebaut werden. In der Vergangenheit galt dieses sensible Refugium als so schützenswert, dass gewerbliche Anlagen verboten waren. Ähnlich verhält es sich mit den Höhenzügen der Mosel. Hier soll die Moselschutzverordnung ausgehebelt werden, damit sich Windräder in der VG Schweich drehen dürfen. Was gestern richtig und wichtig war, wird den ehrgeizigen Energiezielen des Landes untergeordnet. Welches Tabu wird als nächstes gebrochen, damit die Rechnung aufgeht? a.follmann@volksfreund.deExtra

Im Landkreis Trier-Saarburg sind im Naturpark vier Kernzonen ausgewiesen. Das sind das Mannebachtal (mit Flächen in den Gemeinden Tawern, Wawern, Nittel, Onsdorf und Mannebach), das Saartal-Leukbachtal (mit Flächen in Trassem, Freudenburg, Kirf, Serrig, Kastel-Staadt, Taben-Rodt, Irsch und Greimerath), der westliche Teil des Schwarzwälder Hochwaldes (mit Flächen in Greimerath, Zerf, Mandern und Waldweiler) sowie der Osburger Hochwald (mit Flächen in Hentern, Schillingen, Mandern, Heddert, Hinzenburg, Kell am See, Holzerath, Osburg, Farschweiler, Beuren, Reinsfeld und Pölert). Außerdem gehört die Ortsgemeinde Damflos zur Kernzone östlicher Teil des Schwarzwälder Hochwaldes. Hier ist der Bau von Windanlagen unzulässig, da dieser Bereich auch Teil des Nationalparks Hunsrück-Hochwald ist. itz

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